KulTOUR: Klangherbe Rhetorik
Abschluss für den „Caputher Orgelsommer“ – der nächste ist schon in Sicht
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KulTOURAbschluss für den „Caputher Orgelsommer“ – der nächste ist schon in Sicht Schwielowsee · Caputh - „Wo bleiben Flöte und Horn, wo Cymbal und Schalmei?“, fragt Kurt Marti in seinem „Tanz“-Text. Wo Musik und Tanz des Herrn? In seiner originellen Vertonung der Verse für Orgel gibt Pfingstkirchenkantor Matthias Trommer eine überraschend jazznahe Antwort, die einer synkopierten Beschwörung gleichkommt. Diese und andere Tonsatzarbeiten des Organisten hält die unkonventionelle Zusammenstellung bereit, die dem Abschluss des ersten „Caputher Orgelsommers“ ihren Stempel aufprägt. Auch hierbei darf die neue Hüfken-Orgel in der Stülerkirche von ihren Möglichkeiten künden. Trommers Psalm-Ausdeutungen verzahnen sich mit Stücken von Reger, Mendelssohn Bartholdy, Bach. Er ist Anfang und Ende des stimmungsdichten Programms. Es beginnt mit der Choralbearbeitung „Herr Jesu Christ, dich zu uns wend''!“ BWV 709, die Trommer gefühlvoll, getragen und mit reichlichem Gebrauch des Tremulanten romantisch vorträgt. Fordernd, fast anklagend erreicht die Hörer der „Hilferuf eines Bedrohten“, der sich als Psalm 54 zu erkennen gibt. Kraftvoll und voll selbstbewusster Diktion wird er von Klaus Büstrin vorgetragen. Ein Eindruck, der sich auch bei weiteren Texten gewinnen lässt. Dabei gestattet sich der Rezitator keine sprach-melodische Gefühlsduselei. Stattdessen bleiben seine verbalen Auslegungen kantig, herb und direkt – wie die literarisch-musikalische Vorlage. Sie fordern den wachen Geist. Das Wesentliche eines Textes versucht auch Trommers Musik zu erforschen und gestalten. Dabei gelingen ihm trotz mancher illustrativer Zutat – wie in der Schilderung der „Sintflut“ auf einen Text von Frieder Burkhardt – einprägsame Beschreibungen. Diese Einheit von Text, Vertonung und Vortrag ist''s, die den melodramatischen Klanggebilden zu nachhaltiger Wirkung verhelfen. Dissonanzengespicktes wechselt mit akkordgeschichteten Konstruktionen, liegende Orgelpunkte mit filigraner Diskantmalerei. Ein psalmodierender Duktus, was nahe liegend wäre, fehlt dagegen. Dafür erhält die klangherbe Tonsprache ständiges Rederecht. Nicht nur in eigenen Kompositionen erweist sich der Organist als gottesdienstlicher Rhetor von hohen Graden. Regers Toccata e-Moll aus op. 65, in nervöser Gespanntheit gespielt, profitiert genauso wie die in a-Moll (aus op. 80) mit ihren dynamischen Wechseln. Klar im Stimmenverlauf und durchhörbar präsentiert Trommer die Sonata VI d-Moll op. 65 von Mendelssohn Bartholdy, deren Choralvariationen über „Vater unser im Himmelreich“ in gedeckten Stimmen erklingen. Straff artikuliert werden die akkordischen Aufgeregtheiten (Allegro molto), wodurch ihnen etwas kurz Angebundenes anhaftet. Leise, weich und wabernd hört sich das Finale als ein ätherischer Abgesang an. Zum Ende des Abends verbreitet Bachs G-Dur-Fantasie BWV 572 nochmal erhabene Gefühle: was quirlig im Diskant beginnt, eilt als virtuoses Harmonie-Epos in Herzen und Sinne. Wie weiter mit dem „Caputher Orgelsommer“? Nach dem Konzert setzt sich der Förderverein zusammen, um das Programm der Saison 2006 zu beraten!
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