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Immer der orangen Spur nach: Schüler der Anne-Frank-Grundschule in Teltow sollen gegen das Verkehrschaos anlaufen.

© Ariane Lemme

Potsdam-Mittelmark: Kleine Schritte, weniger Autos

Teltower Grundschüler sollen künftig die letzten Meter zu Fuß gehen, um Verkehrschaos zu vermeiden

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Teltow - Spannender als seinen neuen Schulweg findet Fynn H. den Polizisten, der ihn und seine Mitschüler aus der Klasse 2 heute begleitet. So einen coolen Beruf möchte er später auch mal haben. Der Beamte ist nur heute vor Ort, künftig weisen nur noch die orangen Fußstapfen auf dem Gehweg Fynn und seinen Freunden den Weg. An jedem Straßenübergang erinnert ein Balken daran, anzuhalten und auf den Verkehr zu achten. Ab nächster Woche sollen die 600 Schüler der Anne-Frank-Grundschule in Teltow selbstständig von einer der zwölf Haltestellen bis zum Schulgebäude laufen. Die morgendliche Rushhour vor dem Schuleingang soll dann ein Ende haben.

Der sogenannte „Schulexpress“ ist eine Erfindung der Bremerin Verena Nölle. Sie hat 2004 dasselbe erlebt wie die Initiatorin des Teltower Ablegers Melanie Bomhoff: tägliches Verkehrschaos vor der Schule. „Das war so gefährlich, dass ich meine Tochter die letzten Meter begleiten musste“, erinnert sich Nölle. Die Eltern dächten oft nur an das Wohl des eigenen Kindes. So kam sie auf die Idee, die Kinder an eigens errichteten Haltestellen im Umfeld der Schule zu sammeln. Von dort bewältigen die Kinder den Weg entlang der Fußmarkierungen allein, meist aber in kleinen Gruppen.

„Damit sind die ersten Konflikte zwischen den Schülern oft schon gelöst, wenn der Unterricht beginnt“, sagt Schulleiterin Katrin Kliche. Und auch wenn es keinen Streit gebe, profitierten die Kinder davon, sich morgens schon auszutauschen, sich gegebenenfalls noch schnell das Einmaleins oder ein Gedicht abzufragen. „Außerdem wachsen die Kinder daran, erste Schritte alleine zu tun“, betont Kliche. Die Selbstständigkeit müsse unbedingt gefördert werden, viele würden von ihren Eltern quasi in einen Kokon gepackt.

Die Elternkonferenz konnten Bomhoff und Kliche dann aber doch recht schnell von dem Projekt überzeugen – „auch wenn die Ansichten darüber, wo Gefahrenpunkte lauern, teilweise recht unterschiedlich waren“, erinnert sich Bomhoff. Größere Straßen müssen die Kinder im Umfeld der Grundschule, die mitten in einem Wohngebiet liegt, meist nicht queren. Nur eine der Haltestellen liegt jenseits der viel befahrenen Mahlower Straße. Die Polizisten sehen die größte Gefahr allerdings im Unwillen der Eltern: Wenn die nicht mitziehen, werden die Kinder über kurz oder lang wieder mit dem Auto gebracht, meint einer.

Die Anne-Frank-Grundschule ist in Brandenburg bislang die einzige Einrichtung, die den „Schulexpress“ anbietet. In Bremen, Niedersachsen, Hamburg und Schleswig-Holstein ist die Idee bereits verbreitet. Dort sind die Fußstapfen allerdings meist gelb statt orange, doch das ließ das Teltower Ordnungsamt nicht zu: Im Straßenverkehr seien gelbe Markierungen schon für andere Zonen vorgesehen.

„Einige Anwohner hielten die Füße zunächst für Schmiereien und forderten, dass sie schnell wieder entfernt werden“, erzählt Bürgermeister Thomas Schmidt. Doch stattdessen könnten es künftig noch mehr werden, die Stahnsdorfer Zille-Schule habe schon angefragt. Nölles Idee macht bundesweit Schule, bis August soll das Projekt an 90 Schulen laufen. Geld bekommt sie dafür zwar nicht, langfristig aber bessere Luft: Schon 2010 hatten die Anne-Frank-Schüler ausgerechnet, dass allein für die 20 Lehrer, die täglich mit dem Auto kommen, 200 Bäume auf dem Schulhof gepflanzt werden müssten, um das Kohlendioxid zu neutralisieren. „Bisher hatten wir aber bis zu 400 Autos morgens vor der Schule“, so Kliche. Auch wenn einige ältere Kameraden von Fynn beteuern, „schon immer“ mit dem Rad zu kommen.

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