
© Andreas Klaer
Von Kirsten Graulich: Klingt wie ein Riesenstaubsauger
In Stahnsdorf war erstmals das Fluglärmmobil im Einsatz und schreckte die Anwohner auf
Stand:
Stahnsdorf - Ein auf- und abschwellendes Geräusch durchdringt die Einfamilienhaussiedlung an der Sputendorfer Straße, dazwischen Pfeiftöne. Das Lärmmobil der Bürgerinitiative „Stahnsdorf gegen Fluglärm“ holt Anwohner von den Frühstückstischen, weckt Langschläfer und treibt Katzen in die Flucht. Samstagmorgen um zehn sind die meisten in der Siedlung zu Hause, können den Lärm also gut hören, der durch Fensterscheiben in ihre Häuser schwingt. Das ist ganz im Sinne der Initiative, die den Anwohnern die zu erwartende Lärmbelastung durch die neuen Flugrouten vorführen will, weshalb sie an diesem Vormittag Geräusche eines startenden Flugzeuges durch große schwarze Boxen schickt, die auf einem Autoanhänger unter einer Plasteplane stehen.
„Klingt wie ein Riesenstaubsauger mit voller Tüte“, sagt eine junge Frau, die Tochter hält sich die Ohren zu. Trotz Nieselregen haben sich rund hundert Leute mit Regenschirmen um das Mobil versammelt, auch Stahnsdorfs Bürgermeister Bernd Albers ist unter ihnen. „Die Leute sollen merken, was auf sie zukommen könnte, wenn sie sich nicht wehre“, erklärt Christine Dunkel von der Initiative die Aktion, die noch mehr Bürger als bislang gegen Fluglärm mobilisieren soll. „Denn der wird erheblich lauter ausfallen, als uns bislang vorgegaukelt wird“, meint Initiativensprecher Matthias Paszinski.
Ein Akustikingenieur habe die Geräuschesimulation anhand der Daten der Deutschen Flugsicherung eingestellt. Mit 65 bis 70 Dezibel sei bei einer Höhe von 1700 bis 2000 Metern zu rechnen. Aller zwei Minuten dröhnt Krach aus den Boxen. Nach Eröffnung des Flughafens würden Maschinen im Abstand von vier Minuten über die Region hinwegdonnern, sagt Paszinski, schlimmstenfalls im Dreiminutentakt. Rasenmähen – derzeit noch das Geräusch, was Siedler an Samstagen am meisten stört – wäre dann nicht mehr zu hören.
Nur noch anderthalb Jahre bleiben bis zur Eröffnung des Airports BBI. „Wir müssen jetzt handeln und uns gegen die veränderten Flugrouten zur Wehr setzen“, so der Sprecher der Initiative. Aus ihrer Sicht kann es nur eine Lösung geben: Zurück zu den alten Planungen, die seit Jahren in der Öffentlichkeit kommuniziert wurden. „Denn wir hatten keine Chance, am Verfahren beteiligt zu werden, weil es jahrelang hieß, ihr seid nicht betroffen. Jetzt sind wir betroffen, werden aber nicht beteiligt, weil das Verfahren abgeschlossen ist.“ Das sei Betrug, meint nicht nur die Initiative, auch Anwohner, die unter Regenschirmen miteinander diskutieren, fühlen sich betrogen. Ulrich Ortel war vor zehn Jahren von Potsdam nach Stahnsdorf ins Grüne gezogen, nachdem er sich vergewissert hatte, dass die Flugrouten nicht über den Ort führen. Um dem Fluglärm zu entkommen, siedelte eine Frau von Frankfurt am Main nach Stahnsdorf, und ein junges Paar mit zwei Kindern kam aus Mahlow, obwohl die Grundstückspreise dort niedriger sind. Viele Bürger hat die Nachricht vom drohenden Fluglärm geschockt. Doch einige würden auch glauben, es werde nicht so schlimm, sagt Klaus Eichkorn von der Initiative: „Die vertrauen auf den Schutz des Staates, bedenken aber dabei nicht, dass der Staat in diesem Falle Eigentümer und Akteur ist.“
Bei Wowereit wüsste man zudem nie, ob er als Regierende Bürgermeister oder als Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft spreche, meint Eichkorn, und ein Anwohner stimmt ihm zu: „Hier wird getrickst und getäuscht“. Er mutmaßt, dass Wowereit darauf dringen werde, die Route über Wannsee um zwei Grad zu verschieben, weil ja demnächst in Berlin Wahlen anstehen. Über die Rolle der Politiker wird an diesem Samstag unter den Regenschirmen viel diskutiert und spekuliert. Einigkeit gibt es aber in einem Punkt: Die Bürgerinitiativen müssen noch mehr Lärm machen, um sich Gehör zu verschaffen. Das Lärmmobil soll daher die nächsten Aktionen in der Region akustisch unterstützt.
Der nächste Einsatz des Fluglärmsimulators ist am kommenden Sonntag, dem 24. Oktober, um 15 Uhr auf dem Marktplatz der Stadt Teltow.
Kirsten Graulich
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