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KulTOUR: Knabbern zum Jubiläum

Die Wilhelmshorster „Kirchenmäuse“ boten Kabarett auf Zeit mit großem Erfolg

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Michendorf · Wilhelmshorst - Das einhundertjährige Ortsjubiläum von Wilhelmshorst bescherte der friedvollen Waldsiedlung ganz ungeahnte Höhen der Kultur. Neben Buchveröffentlichungen und einer Neuauflage des guten alten Laienspiels wilderte ja auch noch eine junge Kabarettgruppe durch Busch und Kiefer. Hans-Jochen Röhrig, bereits zur grauen „Vorzeit“ in Sachen Kabarett tätig, griff sich Fuchs und Hase, um sie in einem so heiter wie lockerem Einstundenprogramm höchst freundlich über den wohlbestallten Hort und seine Bewohner nachsinnen zu lassen.

Ein Schalk, wer der Evangelischen Gemeinde, Mitorganisator dieses tierischen Streichs, dabei eigene Absichten unterschieben wollte. Gespielt wurden die „Ortsgründeleien“ jedenfalls in den Kirchen von Wilhelmshorst und Michendorf mit allerbestem Erfolg: Schade, dass die „Mittelmärkischen Kirchenmäuse“ nur Kabarett auf Zeit machen, denn zu knabbern gäbe es auch jenseits des Jubiläums so manches dort, wo sich Fuchs und Hause bis zum jüngsten Tage Gute Nacht zu sagen scheinen.

Unter der fachkundigen Hand (Regie, Textanteile) des Schauspielers Hans-Jochen Röhrig spielten Alessandra Brüggemann, Elisabeth Rößler, Hanna Hansen, Katja Schmiedeke, Colleen Sobeck, und Florian Brüggemann (als Fuchs und „Hahn im Korbe“), was es über den 1907 begründeten Ort so alles zu ergründeln gab. Zunächst aber musste sich der Wilhelmshorster, herbeigeeilt in hellen Scharen, seine offensichtliche Bedürftigkeit vorhalten lassen: Dem einen fehle dies, dem anderen das, der Kirche etwa Christen, der Gemeinde – na, man weiß schon

Auch mit dem Jubiläumsdatum hat es viel Beschwernis. Die Datierung von 1907 ist eine von vielen, so dass der Wilhelmshorster eigentlich auch die offizielle Namensverleihung von 1911 feiern könnte, oder in drei Jahren die Trennung von Neu-Langerwisch, inzwischen wieder geeint in der Großgemeinde. Es ist ja nicht mal bewiesen, ob ein Wilhelm im Busch oder der letzte Kaiser bei der Gründung seinen Namen verlieh. „Unklare Jubiläen“, nannten die feschen Mäuschen das in eigenen Texten. Trotzdem blieb ihnen, in Treu und Glauben, nichts anderes übrig, als das Anwesen „zu lieben“, denn nach dem Willen der Deutschen Bahn komme man von hier ja nicht einmal mehr weg. Die „nördliche Schranke“ erzählte dem begeisterten Publikum vieles davon.

Den Eingeborenen bedrohte von der Kanzel her auch eine „Gardinenpredigt“, worin er von der berühmt-berüchtigten Vergangenheit der Kneipe „Hammer“ erfuhr – ihr Kümmel haute so manchen um. Dieser Teil hätte kräftiger ausfallen dürfen, der Wilhelmshorster im Kirchsaal hat ja sowieso alles geschluckt.

Nicht einmal die Mäuse im Luftkurort waren vom „Homo vulgaris Wilhelmshorstensis“ angetan: knauserig, feige, streitsüchtig, konstatierte eine Stunde „Menschenkunde“ in der Mäuseschule, und überhaupt, was Fuchs und Hases Gruß betrifft, so sei dieser Typus eher zum Anfang von 1907 zurückgekehrt, als nur einen Schritt vorangekommen zu sein. Selbst Fußballspielen könne man nicht, alles zugewuchert. Na, wenn das nicht mal ein getarntes Gleichnis war.

Trotz alledem, was ist der Michel von Michelsdorf schon gegen den Wilhelm von W.-horst! Ein Ort der Stille, man könnte glatt das Jodeln kriegen! Das Lokal-Credo kam im „Schlaflied“ wie ein Hammer: „Träumen macht uns stark!“ Logisch, dass der Wilhelmshorster da gründlichst applaudierte.

Gerold Paul

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