Potsdam-Mittelmark: Knackpunkt B-2-Umgehung Sechs Bürgermeisterkandidaten für Michendorf an einem Tisch
Von Hagen Ludwig Langerwisch/Michendorf. Wie soll die neue Großgemeinde Michendorf mit den gegensätzlichen Positionen ihrer Ortsteile zur geplanten B-2-Umgehungsstraße umgehen?
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Von Hagen Ludwig Langerwisch/Michendorf. Wie soll die neue Großgemeinde Michendorf mit den gegensätzlichen Positionen ihrer Ortsteile zur geplanten B-2-Umgehungsstraße umgehen? Das war die spannendste Frage an die sechs Bürgermeisterkandidaten, die am Dienstagabend auf Einladung der Bündnisgrünen in Langerwisch erstmals vollständig auf einem Diskussionsforum vertreten waren. Dieser Streit, der seit Jahren die Beziehungen im Amt Michendorf belastet, scheint zu einem ersten Knackpunkt für die neue Gemeindevertretung zu werden. Die Gemeinden Wilhelmshorst und Langerwisch klagen gegen die geplante Ostvariante, die Planfeststellung wurde vorerst ausgesetzt. Nahezu gleich lautend warnten alle sechs Kandidaten am Dienstag nun vor „Schnellschüssen“ der neuen Gemeinde. So versicherte der aus Michendorf stammende SPD-Kandidat Eckhard Reinkensmeier, dass er keinesfalls eine sofortige Rücknahme der Klagen aus Langerwisch und Wilhelmshorst anstreben werde. Allerdings wünsche er sich eine zeitnahe Entscheidung des Gerichts. „Die Anwohner der B 2 in Michendorf haben eine Entlastung verdient, andere Bürger dürften dadurch jedoch nicht belastet werden“, betonte Reinkensmeier, dass er „noch offen für vieles“ sei. Dass etwas passieren müsse, betonte auch die bisherige Amtsdirektorin Cornelia Jung, „doch nicht mit diesem Kahlschlag“. Deshalb sei sie dankbar dafür gewesen, dass mit der Aussetzung der Planfeststellung erst einmal die Baumfällungen an der B 2 gestoppt wurden. „Mein Büro liegt direkt an der B 2, und mein Wohnhaus steht in Langerwisch“, verdeutlichte Jung, dass sie selbst „zwischen zwei Stühlen“ sitze. Nur in enger Zusammenarbeit mit den betroffenen Ortsbeiräten könnte die neue Gemeindevertretung einen für viele tragbaren Kompromiss in Sachen Umgehungsstraße erreichen, betonte sie. Für den bisherigen Wilhelmshorster Bürgermeister und Mitstreiter der Bürgerinitiative „Milan“, Gerd Sommerlatte, steht indes fest, dass das Linienbestimmungsverfahren für die Umgehung „nicht richtig gelaufen ist“. Als Bürgermeister der neuen Großgemeinde würde er sich dafür einsetzen, „dass die Klagen rechtlich richtig bewertet werden“. Grundsätzlich sei unbedingt ein abgestimmtes Verkehrskonzept des Stadt Potsdam und des Landkreises Potsdam-Mittelmark notwendig. Als Großgemeinde habe man darauf mehr Einfluss, hofft Sommerlatte, der für die Unabhängige Wählergemeinschaft UWG antritt. Der aus Wilhelmshorst stammende Bürgermeisterkandidat Olaf Lindenau antwortete auf die Frage nach der Rechtmäßigkeit der bisherigen Planung für die Umgehungstraße, dass es aus seiner Sicht „durchaus noch Handlungsbedarf“ gebe, und die Variantendiskussion noch nicht abgeschlossen sei. Er räumte ein, dass er für diese Auffassung vom Michendorfer Bürgermeister Hartmut Besch bereits eine symbolische Ohrfeige bekommen habe. Beide kandidieren gemeinsam für die neue Gemeindevertreterversammlung in dem Zusammenschluss „Freie Bürgerliste – FDP“. „Ich stehe weiter zu meiner persönlichen Auffassung“, so Lindenau. Wie auch andere Kandidaten erinnerte er jedoch daran, dass die Entscheidung zum Thema Umgehungsstraße nicht in der Hand des Bürgermeisters liege, sondern von der neuen Gemeindevertretung mit ihren entsprechenden Mehrheiten getroffen werde. Dass dort „auf demokratischer Basis eine vernünftige Lösung gefunden werden kann“, meint die aus Wildenbruch stammende PDS-Kandidatin Roswitha Huth. Einzelkandidat Wilfried Ahrens, ebenfalls aus Wildenbruch, kritisierte, dass im Verfahren für die Umgehungsstraße bisher kein Interessenausgleich stattgefunden habe. Er selbst habe bereits vor 13 Jahren, damals noch als Umweltamtsleiter der Kreisverwaltung, einen bisher nicht beachteten Alternativvorschlag unterbreitet. Demnach könnte die Umgehung aus Richtung Potsdam hinter dem Nesselgrund entlang der Gas-Trasse westwärts an Michendorf vorbeigeführt werden. Doch nicht nur die Umgehungsstraße bewegt die Gemüter in der künftigen Großgemeinde Michendorf. Durch den weiteren Ausbau der Autobahn befürchten viele Einwohner eine drastisch verstärkte Lärmbelästigung. Die Gemeinde müsse hier mit allem Nachdruck Lärmschutzmaßnahmen einfordern, dazu wäre jedoch ein langer Atem notwendig, betonte Cornelia Jung und erinnerte an das lange aber letztlich erfolgreiche Ringen um Lärmminderung an der neuen Autobahnraststätte Michendorf. Gleich lautend sprachen sich alle Kandidaten in der von der bündninsgrünen Europaabgeordneten Elisabeth Schröter straff geführten Diskussion für den Erhalt der drei Schulstandorte sowie der fünf Standorte für Kindereinrichtungen aus. „Es wird immer mehr zum wirtschaftlichen Wahnsinn, in diesem Land Kinder zu haben“, formulierte Reinkensmeier seine persönliche Erfahrung. Dieser Tendenz müsse die Kommune soweit wie möglich entgegenlenken, so der SPD-Kandidat, der sich deshalb unter anderem für bezahlbare Kita-Beiträge einsetzen will. Auch die Förderung der Vereine will er von ihrer jeweiligen Jugendarbeit abhängig machen. Vor allem in Wildenbruch bestehe noch Handlungsbedarf in Sachen Jugendarbeit, mahnte Roswitha Huth an. „Wir können froh sein, wenn es uns gelingt, die zwei bestehenden Jugendklubs in Wilhelmshorst und Michendorf zu erhalten“, erinnerte Cornelia Jung jedoch an die immer schlechter werdende Finanzausstattung der Kommunen. Erfreulich würden sich die Kinderzahlen in der Region Michendorf entwickeln, so dass man um die Schulstandorte nicht fürchten müsse. Besonders unterstützt wird das Vorhaben, in Wilhelmshorst eine Ganztagesschule einzurichten. Dafür will sich auch Olaf Lindenau in seinem Amt als Vorsitzender des Schulfördervereins einsetzen. Einig waren sich alle Kandidaten darüber, das die Ortsbeiräte künftig eine wichtige Rollespielen müssen. Ahrens forderte mehr Transparenz in der Arbeit der Gemeindevertretung. Viel zu viele Tagesordnungspunkte würden bisher ungerechtfertigt im nichtöffentlichen Teil der Gemeindevertretersitzung behandelt, kritisierte er. Lindenau forderte dazu auf, künftig das Internet umfangreicher als Informationsmittel der Verwaltung zu nutzen. Abschließend noch einmal die Versicherung aller Kandidaten, dass sie ihren Beruf sofort im Tausch für das Bürgermeisteramt an den Nagel hängen könnten und würden: Eckhard Reinkensmeier würde seine Ich-AG als Bauleiter auflösen, Gerd Sommerlatte seine Versicherungsagentur Ehefrau und Sohn überlassen, und Cornelia Jung ist ohnehin schon Verwaltungschefin. Die Ökonomin Roswitha Huth ist zur Zeit arbeitslos, Wilfried Ahrens könnte ohne Problem seine Tätigkeit als Diplom-Meteorologe aufgeben, und auch Olaf Lindenau zeigte sich fest entschlossen, im Falle der Wahl als Geschäftsführer in seiner Planungsfirma aufzuhören, und „mal wieder etwas Neues anzufangen“.
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