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Potsdam-Mittelmark: Korruption im „Fercher Seegespräch“

Transparency-Chef Hansjörg Elshorst zu Gast in der Kulturscheune

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Schwielowsee · Ferch - „Ein Floh, der zwar beißen kann, aber ohne Hund nirgendwo hinkommt“ – so beschreibt Hansjörg Elshorst die Rolle seiner Organisation. Das öffentliche Interesse sei es, welches Transparency International (TI) zu den Brennpunkten in Politik und Wirtschaft überall auf der Welt „trägt“ und damit erst deren Arbeit ermöglicht. Korruption, Lobbyismus und Ämterpatronage sind Schlagworte, die vielen in den Sinn kommen, wenn sie an Entscheidungsprozesse national und international denken. Der ehemalige Journalist, Politiker und heutige Dozent an der Universität Potsdam berichtete beim 2. „Seegespräch“ am Freitagabend über seine Arbeit. Doch wer die Enthüllung großer Skandale in der Fercher Kulturscheune erwartete, wurde enttäuscht.

Elshorst gehört zu den Gründungsmitgliedern von TI und ist heute deren Vorsitzender. Die Gesellschaft wurde 1993 mit dem Ziel gegründet, die weltweite Korruption zu bekämpfen und ist mittlerweile in über 90 Ländern tätig. Im Focus stehen keine Einzelfälle, „dafür haben wir die Medien“, sagte er. Vielmehr gehe es darum, Strukturen zu verändern, welche Korruption begünstigen. Und dafür wird seit jeher der Schulterschluss mit den Verantwortlichen gesucht. Bereits in den Anfangsjahren wurden Großunternehmen überzeugt, mitzuarbeiten und sich an den Kodex von Transparency zu halten. Dies brachte der Organisation auch Kritik ein: So hatte der Spiegel vor drei Jahren bemängelt, dass ein Drittel der Spenden insgesamt aus der Wirtschaft komme. Beitritte zum TI-Netzwerk würden oft mit der Einleitung von Untersuchungsverfahren zusammenhängen, TI würde sich als „Feigenblatt“ missbrauchen lassen.

In diesem Jahr sorgte man für Negativ-Schlagzeilen, nachdem gegen die Freundin einer ehemaligen Mitarbeiterin rechtliche Schritte angedroht wurden. Diese hatte in einem Internetartikel die angeblich unfaire Kündigung kritisiert, und war in den Medien auf ein großes Echo gestoßen. „Die Ankündigung, wir würden klagen, war ein Fehler“, gestand Elshorst. Diesmal sei Transparency unter öffentlichen Druck geraten, ein Mittel, mit dem man normalerweise selbst vorgehe.

Der Erfolg der Organisation ist dennoch unbestritten. Elshorst erinnerte an die 70er Jahre in der Bundesrepublik: „Geschenke in Politik und Wirtschaft waren Gang und Gäbe, die Parteien finanzierten sich zum großen Teil aus Spenden.“ Nur ein Bruchteil dessen würde heutzutage schon für Skandale sorgen. Korruption in der Politik sei in Deutschland mittlerweile weitgehend eingedämmt. Doch was ist mit dem Spendenskandal um Helmut Kohl oder jenem um die Kölner SPD in Zusammenhang mit dem Bau einer Müllverbrennungsanlage? „Einzelfälle“, sagte Hansjörg Elshorst, verhehlte dabei aber auch nicht, dass die beiden Vorfälle dafür gesorgt hätten, dass Deutschland im internationalen Korruptionsindex von Rang 15 auf 20 abgefallen war.

Als wesentlich größer schätzte der Experte die Korruption innerhalb der Wirtschaft ein, zum Beispiel in Form von Bestechung zwischen Verkäufer und Käufer. „Die Ursache ist der Druck, einerseits steigende Börsenwerte liefern zu müssen, andererseits sich global zu behaupten.“ Und wenn ein Politiker oder Verwalter von einer Firma bestochen werde, so gerate nur der in die Schlagzeilen, nicht aber das Unternehmen.

Und auf lokaler Ebene? Am Freitagabend wurde eine Lanze für die Schwielowseer Verwaltung gebrochen: „Wenn es um den Straßenbau geht, sind die Bürger schnell mit Vorwürfen bei der Hand“, sagte ein Anwesender. „Die sind sowieso alle korrupt", heiße es dann. Man dürfe diesen Begriff nicht pauschal verwenden und dadurch entwerten.

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