
© Andreas Klaer
Potsdam-Mittelmark: Kostbare Ernte
In Michendorf sollen Straßenhändler Gebühren zahlen. Nicht überall wird für den Verkaufstisch kassiert
Stand:
Michendorf - Hendrik Schmidt traute seinen Augen nicht, als er den Brief vom Ordnungsamt las. Doch dann musste er lachen. Sein kleiner Früchtetisch, der seit über zwei Jahrzehnten vor dem Gartentor des Familienanwesens in Fresdorf steht, sollte verschwinden. Er habe dafür keine Genehmigung, teilte das Ordnungsamt mit. Wer öffentliche Straßen, Wege und Plätze über den Gemeingebrauch hinaus nutzen möchte, müsse eine Sondernutzung beantragen und dafür zahlen.
„Ich dachte mir, das kann nicht wahr sein – im Ort macht das fast jeder“, so der Fresdorfer. Mit dem Schreiben ging er zum Rathaus. Dort habe die Ordnungsamtsmitarbeiterin einen Stapel Fotos aus der Schublade geholt. Auf einigen war sein 80 Zentimeter breiter Verkaufsstand zu sehen, auf anderen Tische vor den Grundstücken von Hobby-Gärtnern in anderen Ortsteilen der Gemeinde. Die Akribie bringt Schmidt zum Schmunzeln.
Laut Sondernutzungsatzung fallen für Verkaufsstände pro Quadratmeter monatlich bis zu zehn Euro an, pro Jahr 120 Euro, erklärte ihm die Behördenfrau. Der kleine Stand von Schmidt würde unter die Kategorie „Aufstellen von Tisch und Sitzgelegenheiten für gewerbliche Zwecke“ fallen. Zwischen einem und vier Euro werden pro Quadratmeter und Monat dafür fällig. „Da lohnt sich der Verwaltungsaufwand kaum“, so Schmidt.
Die Aufregung der Hobby-Gärtner ist in Fresdorf bis zum Ortsbeirat vorgedrungen, der auf eine Lösung pocht. „Die kleinen Stände sind seit Jahr und Tag gelebte Praxis in unserem Ort“, so Ortsvorsteher Karl-Heinz Schmid. In Fresdorf gebe es rund zehn solcher Tische. „Manche stehen aber auf dem Grundstück der Verkäufer“, so der Ortsvorsteher. Die Verwaltung habe zwar mit dem Hinweis auf ihre Satzung recht, aber die Sache müsse nicht unnötig verkompliziert werden.
Auch in anderen Gemeinden der Region, in denen Obst- und Gemüsetische mit einer Kasse des Vertrauens vor Privatgrundstücken stehen, gibt es Regelungen. Sie fallen unterschiedlich aus: In der Obsthochburg Werder (Havel) fallen für Verkaufsstände pro Monat und Quadratmeter etwas mehr als zehn Euro an. Alles unter einem Quadratmeter ist nicht genehmigungspflichtig und gebührenfrei. In Stahnsdorf würde pro Tag für Flächen unter einem Quadratmeter eine Gebühr von einem Euro anfallen. Das macht hochgerechnet aufs Jahr 360 Euro. „Es gab bisher keine Beschwerden und die Verkaufsstände behindern niemand, daher werden sie geduldet“, so Gemeindesprecherin Lena Knote. Schwielowsee sieht indes vor, dass Tische, die direkt an der „Stätte der Leistung“ ohne feste Verbindung mit einer baulichen Anlage oder Straßenbefestigung aufgestellt werden, keine Genehmigung brauchen und damit gebührenfrei sind.
Das Michendorfer Ordnungsamt sucht jetzt nach einer praktikablen Lösung. „Wir wollen nicht das dörfliche Flair zerstören“, so Ordnungsamtleiter Karl-Heinz Oed. Die Tische würden Ortsbilder bereichern und an Wochenenden Besucher aus Potsdam und Berlin anlocken. Vorstellbar sei eine Lösung ähnlich der in Werder, womit Verkaufsstände unter einem Quadratmeter von Gebühren befreit sind. Zur Verteidigung seiner eifrigen Kollegin, die fotografisch Verstöße dokumentierte, sagte Oed: „Das ist doch eine gute Nachricht, dass das jemand nach zwanzig Jahren mal festgestellt hat.“
Für Hendrik Schmidt hingegen ist das eher ein Grund zum Ärgern. In Zukunft werde er das Laub auf dem Gehweg vor seinem Grundstück nicht mehr wegräumen, auch das Gras auf dem gegenüberliegenden Grünstreifen am Straßenrand will er nicht mehr mähen. „Das sehe ich nicht ein, wenn mir die Verwaltung jetzt so kommt.“
Sein Obst und Gemüse wird er nach wie vor verkaufen. Der Tisch steht jetzt nicht mehr vor, sondern direkt hinter seinem Gartenzaun. Von dort aus kommen seine Kunden auch noch gut an die Ernte ran.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: