Potsdam-Mittelmark: Kreis gründet Netzwerk für Kinderschutz Vernetzung von Ärzten und Lehrern soll Missbrauch früh aufdecken. Jährlich werden 100 Kinder gemeldet
Potsdam-Mittelmark - Kinder kommen ohne Schal und Jacke in die Kita, das Pausenbrot fehlt und beim Abholen schauen die Eltern ihre Kleinen kaum an. Nicht immer sind es blaue Flecken am Körper, die anzeigen, dass ein Kind Hilfe braucht.
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Potsdam-Mittelmark - Kinder kommen ohne Schal und Jacke in die Kita, das Pausenbrot fehlt und beim Abholen schauen die Eltern ihre Kleinen kaum an. Nicht immer sind es blaue Flecken am Körper, die anzeigen, dass ein Kind Hilfe braucht. Um früher reagieren und auf Eltern eingehen zu können, ist der Landkreis derzeit dabei, ein Netzwerk für Kinderschutz aufzubauen.
„Wir bringen alle Akteure zusammen, die mit Kindern zu tun haben, und sorgen für eine Vernetzung untereinander“, sagte die Kinderschutzbeauftragte des Landkreises, Heike Wolff, am gestrigen Donnerstag. So fand im Nuthetaler Mehrgenerationenhaus bereits ein Treffen von Lehrern, Erziehern, Kinderärzten, Mitarbeitern des Jugendamtes und des Familiengerichtes statt. In den nächsten Wochen sollen die restlichen Regionen des Landkreises folgen. „In den Treffen werden Strukturen für die Informationsweitergabe aufgebaut, damit Lehrer oder Ärzte wissen, wohin sie sich beim Verdacht auf eine Kindesmisshandlung wenden können.“ Zu den Treffen erscheinen Wolff zufolge je etwa 30 Teilnehmer.
Im Landkreis werden Wolff zufolge etwa 100 Fälle von Kindesmisshandlungen pro Jahr gemeldet, Tendenz steigend. „Das bedeutet jedoch nicht gleich, dass mehr Kinder geschlagen werden, sondern ist auch auf eine bessere Aufklärung zurückzuführen.“ So sind seit einer Neuerung des Kinderschutzgesetzes von 2012 Ärzte verpflichtet, bei Anzeichen von Missbrauch das Jugendamt einzuschalten. Vorher stand die ärztliche Schweigepflicht im Weg, auch der Datenschutz behinderte den Informationsaustausch.
Auch Lehrer und Erzieher sind jetzt verpflichtet, bei Auffälligkeiten der Kinder mit den Eltern zu reden und Fachkräfte zu informieren, die die Gefährdung des Kindeswohls einschätzen. Denn nicht jede Veränderung am Kind muss häuslichen Missbrauch bedeuten. Blaue Flecken könnten schließlich auch vom Spielen kommen. „Wenn die Eltern sich aber weigern, mit den Lehrern zu kooperieren, wird das Jugendamt eingeschaltet“, so die Kinderschutzbeauftragte. Spätestens dann würden die Eltern Hilfe suchen und sich um ihren Nachwuchs kümmern, da sonst das Sorgerecht entzogen werden könnte.
Im Landkreis gibt es keine Gegend mit guten oder schlechten Eltern, Kinder leiden aber an unterschiedlichen Dingen. So sind Wolff zufolge im städtisch geprägten Potsdamer Umland mehr psychische Probleme aufgrund von Trennungen zu beobachten. In ländlichen Gegenden passen Nachbarn besser auf, dort gebe es aber auch mehr falsche Beschuldigungen.
Überforderte Eltern, die eigenständig Hilfe suchen, können sich bei den zwölf Familienzentren im Landkreis melden, bei denen auch die Kinderschutznetzwerke angesiedelt sind. Auch werdende Eltern können sich dort Hilfe holen, um trotz schwieriger häuslicher Verhältnisse zu klären, wie das Neugeborene am besten versorgt werden kann. Derzeit bildet der Landkreis zudem Hebammen aus, die darauf geschult werden sollen, problematische Verhältnisse bei jungen Familien zu erkennen. Sie sollen dann gemeinsam mit den Sozialarbeitern des Kinderschutznetzwerkes versuchen, die Eltern in die Familienzentren zu bringen. Enrico Bellin
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