Potsdam-Mittelmark: Krieg der Störche
In Langerwisch gibt es häufig Streit um den einzigen Horst. Jetzt ist von Menschenhand ein zweiter entstanden
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Michendorf - Vor zwei Wochen kam das Männchen, am Sonntag dann das Weibchen. Jetzt ist in ganz Neu Langerwisch wieder ihr fröhliches Klappern zu vernehmen. Helma Albrecht beobachtet die Störche vor ihrer Terrasse seit Jahrzehnten. „Das Pärchen hat sich beim Wiedersehen wieder viel zu erzählen gehabt“, sagt sie. Doch nicht immer geht es so friedlich zu wie dieser Tage. Im Frühjahr vergangenen Jahres hatten sich wieder unschöne Szenen abgespielt. Die Eier lagen schon im Nest, als das Storchenpaar von Neidern angegriffen wurde.
Langerwisch ist beliebt bei Adebar. Die kleinbäuerliche Landwirtschaft, die Wiesen und die Niederungslandschaft im Süden sind voller Leckereien. Der Horst ist sehr alt und sehr attraktiv, auch auswärtige Artgenossen segeln mal ran. Die Angreifer konnten damals abgewehrt werden, doch zwei der vier Eier hat Helma Albrecht aus dem Nest fallen sehen.
Die Naturschutzbehörde in Bad Belzig hat von Anwohnern immer wieder Hinweise über erbitterte Revierkämpfe in Neu Langerwisch erhalten, so Behördenmitarbeiter Christian Kurjo. So war die Idee aufgekommen, einen zweiten Horst zu etablieren, „damit das Gemetzel mal ein Ende hat“. Gestern war es so weit: Etwa 500 Meter vom alten Horst wurde am Langerwischer Ortseingang Richtung Saarmund ein neuer installiert.
Die Edis spendierte einen Betonmast, Technik und Bauleute, die Naturschutzbehörde kümmerte sich um einen fachgerechten Nestkorb, den Christian Kurjo gestern noch mit Ästen bestückte. „Der Storch will sehen, dass hier schon mal einer war.“ Dann wurde der zehn Meter hohe Mast mit einem Kran auf einer weiten Pferdekoppel aufgestellt.
Dutzende Brutpaare werden im Landkreis jährlich gezählt, vor allem in der Havelniederung und am Beetzsee sieht man sie über die nassen Wiesen waten. Der Langerwischer Horst ist zwar schon sehr alt. Doch Helma Albrecht kann sich erinnern, dass der Storch aus dem Ort lange verschwunden war, als sie 1966 ihr letztes Kind zur Welt gebracht hatte. Oder lag es am Gewusel in der neuen LPG?
Offenbar nicht: „Als die Enkel kamen, ging es wieder los“, erinnert sich die Rentnerin schmunzelnd. Nach der Wende war der Storch an den Ortsrand mit den uralten Vierseitenhöfen und üppig blühenden Obstbäumen zurückgekehrt. Vor acht Jahren musste ein künstlicher Ersatzhorst gebaut werden, als ein dicker Ast der alten Eiche unter der Last des riesigen Horstes abgebrochen war. Er wurde augenblicklich angenommen.
Mit künstlichen Horsten habe man im Landkreis gute Erfahrungen gesammelt, sagt Naturschützer Kurjo. „Manchmal sind sie drei Stunden nach dem Aufbau besetzt.“ Freileitungen und Schornsteine, die sich zum Nisten eignen, gibt es immer weniger. Und in Bäumen nisten Weißstörche, die die Nähe zum Menschen suchen, selten. Also wird nachgeholfen.
Die Naturschutzbehörde hat die Schreitvögel fest im Blick. Seit 1991 werden die Bestände gemeinsam mit Potsdam und Brandenburg / Havel erfasst. Sie sind von 70 auf weit über 80 Brutpaare gestiegen. Alle nisten in Dörfern, am liebsten in Gegenden mit großer Fruchtfolge auf den Äckern, mit Weiden, Brachen und Auenwiesen. Von den scheuen Schwarzstörchen gibt es dagegen nur drei Horste im Fläming.
Ob das mit dem Ersatznest in Langerwisch klappen wird, will Kurjo nicht voraussagen. Große Storchenkolonien wie in Linum oder Rühstedt gibt es im mittelmärkischen Raum nicht, so Kurjo. „Die Störche dort sind anders sozialisiert als unsere Alleinkämpfer.“ Der neue Horst wurde deshalb außer Sichtweite des alten in den Torf gestemmt. Kurjo hofft, dass sich vielleicht ein Linumer Jungstorch nach Langerwisch verirrt, den die Nachbarschaft nicht stört.
Jedenfalls wolle man mit der Alternative „etwas Dampf rausnehmen“, damit die Störche von Neu Langerwisch mal wieder ungestört brüten können. Der neue Horst wirkt vielversprechend mit seinem weiten Blick über die Wiesen auf die Langerwischer Mühle. Und Frösche, Mäuse, Reptilien, Fische und Großinsekten sind hier reichlich aufzuspießen. Kurjo: „Das Einzugsgebiet ist groß genug.“
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