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KulTOUR: „Kunst ist eben Kunst“

Zwischen Natur und Kreatur: Die Galerlie Töplitz zeigt Arbeiten von Wiebke Herrmann und Lisa Pahlke

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Zwei Hasen trommeln vor einer Mauer mit ihren Vorderpfoten aufeinander ein, hinter ihr sieht man zwei Männer mit Hüten, die Köpfe nur angeschnitten. Ein Hauch Magritte, viel Wiebke Herrmann, das Bild mit der hasigen Balz- und Verteidigungsgeste stammt aus dem Jahr 2014 und heißt „Off The Wall“. Oder zwei Bilder aus der Serie „Friesennerz“: einmal des Nordmanns liebstes Stück mit aufgestellter, aber gesichtsloser Kapuze, zum anderen das Konterfei einer ernst dreinblickenden Frau namens Lisa. Im Hintergrund ein Männerschatten mit aufgespanntem Schirm, das kann Schutz oder Drohung bedeuten. Befragt, was Kunst denn sei, antwortete die Dresdner Malerin Herrmann: „Kunst ist eben Kunst, weder politisch noch gesellschaftskritisch, weder der Moral verpflichtet noch wirtschaftlichen Interessen.“ Und „schon gar nicht cool“.

Wiebke Herrmann ist Absolventin und Meisterschülerin an der Dresdner „Hochschule für Bildende Kunst“ (HdBK) genau wie Lisa Pahlke, mit der sie zusammen derzeit in der Galerie Alttöplitz ausstellt. Es gibt, bis hin zu Hängung und Formaten, zwischen den beiden Künstlerinnen viele Korrespondenzen. Man versteht sich sogar als „Schwestern im Geiste“, mindestens. Erstmals sind sie sich an der HdBK über den Weg gelaufen, haben je ein Semesterchen Bildhauerei studiert und sich dann nicht mehr aus den Augen verloren, wie Schwestern es eben so tun.

Wiebke Herrmann malt gern seriell und figurativ, neben „Friesennerz“ auch Bilder, darauf Mensch und Pferd im Zähmungskampf begriffen sind. Öl. Mag sie auch meinen, dass diese schönen Tiere mit ihren Instinkten „nicht wissen, was sie denken“, so haben sie doch gewiss ein Empfinden für Unterwerfung, genau wie der Mensch. Den Willen der freien Kreatur zu brechen, sollte nichts mit dem politisch-gesellschaftlichen und moralischen Leben der Gegenwart zu tun haben? Welches Bild wäre nicht zugleich auch Allegorie! Schon deshalb muss dieses leicht trotzige „Kunst ist eben Kunst“ gelten, da schließt sich nichts aus: Offenbar liegt Wiebke Herrmanns persönliche Augenblicks-Landschaft derzeit zwischen „Wild Horses“ der Rolling Stones und Steppenwolfs „Born To Be Wild“, um es mal mit den Songs von gestern zu sagen.

Abgesehen von kleinformatigen Fingerübungen mit irgendwie verschrumpelten Fischchen scheint es auch Lisa Pahlke mit diesem Grundsatz zu halten. Die gebürtige Potsdamerin zeigt vornehmlich Filzlinien-Zeichnungen, wahlweise als Grafik, abstrakt-zeichnerisches Bildwerk oder architektonischen Entwurf anzusehen. Oder als alles zusammen. Strich um Strich entstand da etwas, reich an Schattierung, arm an Farbe, meist ins Zentrum des Bildes gesetzt, weiße Leere drumherum. Die Form ist vieldeutig, die Titulatur meist konkret: „Rotkehlchen“ oder „Entrüstet“ sind zwischen Natur und Gedanke geboren, oder von Lisa Pahlke dorthin geschickt. Vergeblich jedes Bemühen, Bild und Titel in eins zu bekommen, dieses Opus will sich ja ostentativ jeder Deutung und Bedeutung entziehen, will nur Spiel sein, nur sich selber verpflichtet: Kunst ist eben Kunst! Und sucht also in seiner raumgreifenden Gestik erst gar nach Schönheit. Der Preis: Einsamkeit und mattes Leben darin. Alles ist Spiegel, alles ist Allegorie, sagte Novalis. Diese in sich selbst ruhenden Geschöpfe erreichen oder suchen zunächst des Menschen Sinn, dann erst die Sinne. Manche sind sogar richtig cool. Gerold Paul

Die Ausstellung „Wiebke Herrmann, Lisa Pahlke“ ist bis zum 2. Juli in der Galerie Töplitz zu sehen

Gerold Paul

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