Wildenbrucher Künstlerin vermietet ihre Bilder: Kunst zum Mieten
Sie ist Dienstleisterin und vermietet ihre Gemälde. Ein Besuch bei einer Wildenbrucher Künstlerin, die Büros von Steuerberatern, Anwälten und Ärzten mit Kunst ausstattet.
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Michendorf - Der scharfe Geruch von Ölfarben zieht einem schon im Flur in die Nase. Die Tür zur Wohnküche öffnet sich, da fällt der Blick auf zwei Staffeleien im angrenzenden Wintergarten. Mit großformatigen, farbenfrohen Bildern sind die Küche und der Wintergarten von Gabriele Hiller vollgestellt.
Hiller ist keine normale Künstlerin. Die Frau mit den blonden Haaren und den Espadrilles voller Farbtupfer sagt von sich selbst, dass sie Dienstleisterin sei. „Ich mache Auftragskunst und dazu stehe ich.“ Hiller steht seit 20 Jahren vor ihrer Staffelei, sie taucht zuweilen ihre Finger in die satten Farben und schmiert sie auf die Leinwand. Ein anderes Mal holt sie den Spachtel hervor, schabt damit auf der Leinwand und produziert farbige Kanten. Manchmal kommt auch der Heißluftfön zum Einsatz. Dann erinnert das Ölgemälde an einen dürren Wüstenboden, nur bunter.
Angebot: Austausch der Bilder nach sechs Monaten
Vor vier Jahren hat die Frau aus Wildenbruch ihr Hobby zum Beruf gemacht. Brotlose Kunst kam für sie nicht infrage, „das kann ich mir gar nicht leisten“. Also kam sie auf die Idee, ihre Werke zu vermieten. Mit Steuerberatern, Rechtsanwälten, Ärzten oder Finanzdienstleistern schließt sie Jahresverträge ab. Sie bietet wie bei Bekleidung Pakete in den Größen S, M und L an. Das kleinste und mit 96 Euro pro Monat günstigste Angebot umfasst drei Kunstwerke, der Kunde kann aus ihren vielen Bildern sich die passenden auswählen. Bei der L-Version für 300 Euro im Monat gibt es neun Bilder. Auch wer nur ein Bild möchte, kann bei Hiller mieten. Alle sechs Monate bietet die Wildenbrucherin an, die Werke auszutauschen. „Aber viele wollen das gar nicht, weil sie sich so sehr an die Bilder gewöhnt haben“, sagt Hiller.
Wer vor Ablauf des Jahres nicht kündigt, dessen Vertrag läuft weiter. Ein bisschen so wie bei einem Zeitungsabo. Und genau an so etwas Alltägliches dachte Hiller bei ihrem Angebot. „Viele Freunde von mir sagen, dass ich zu günstig bin.“ Aber Hiller wollte einen Preis, „der zwischen Porto, Telefon- und Stromkosten“ liegt. 150 bis 200 Euro monatlich würden vielen Unternehmern nicht wehtun, Hillers Kunst zähle damit zu den normalen Betriebsausgaben. „Die übrigens auch zu 100 Prozent von der Steuer absetzbar sind“, fügt die gebürtige Berlinerin hinzu.
Auftraggeber können mitbestimmen
Man merkt, dass Hiller sich im Unternehmensbereich auskennt. Studiert hatte sie einst Informationstechnik, später war sie im Außendienst eines Versicherers tätig und reiste von Firma zu Firma. „Da habe ich gelernt, wie Unternehmer drauf sind, wie sie ticken.“ Ihre Kontakte von damals waren ihr eine Starthilfe. Heute ist sie selbst Unternehmerin und hat sich in mehreren Netzwerken organisiert. „Ich gehe nicht den klassischen Weg über Galerien, um meine Kunst zu verkaufen.“ Wenn sie ihre Gemälde verkauft, haben die Auftraggeber die Möglichkeit mitzubestimmen, wie das fertige Bild aussehen soll. Der Wunsch von vielen: Es soll zur Einrichtung passen.
Das, was andere Künstler die Haare raufen lässt, macht Hiller gerne. „Auftragsarbeiten – so hat das überhaupt mit der Kunst einst angefangen.“ Und außerdem mache es Spaß, bei der Vorstellung ihrer Skizzen dem Auftraggeber oder den Mitarbeitern den Stift hinzulegen und zu sagen: „Zeigen Sie doch mal, was Sie sich wünschen.“ Wer sein künftiges Werk mitgestalten würde, identifiziere sich stärker damit, das Kunstwerk bekomme einen höheren Stellenwert. Auch das Beraten mache Hiller Spaß: „Ein weiblicher Akt passt eher in eine Physiotherapeutenpraxis als zu einem Steuerberater.“ Was sie dem Mann der Zahlen empfehlen würde? Hiller überlegt, das sei nicht so pauschal zu beantworten. „Manche Steuerberater mögen auch Florales.“
Den Großteil ihrer Kunst jedoch vermietet Hiller. Mieten statt zu kaufen, das sei für viele einfacher. Das sieht auch Claudia Hilbert so – sie hat seit zwei Jahren Hillers Kunst in ihren Apotheken in Michendorf und Nuthetal hängen. Die Mietkunst ist dort in den Vorzimmern der Kosmetikstudios zu finden. Das schaffe eine gute Atmosphäre, sagt Hilbert. „Und kommt besser an als irgendein Plakat oder ein Kunstdruck.“ Auch die Mitarbeiter würden sich freuen, dass alle paar Monate wieder neue Kunst an den Wänden hänge. „Die Kunden nehmen unterbewusst wahr, dass man sich um sie bemüht“, so die Apothekenchefin. Hilbert hat sechs Arbeiten von Hiller geordert. Den Preis für die Mietkunst findet sie angemessen.
Das Geschäftsmodell der Wildenbrucher Künstlerin funktioniert, Hiller hat mittlerweile zwischen zehn und zwölf Mieter, die ihr monatliches Einkommen sichern. Für viele Unternehmer aus der Region ist Hillers Konzept (wie auch das der Potsdamer Landesbibliothek – siehe Kasten) neu. Dabei ist der erste Eindruck des Kunden oder Klienten wichtig: Hiller ist davon überzeugt, dass ein Empfangsbereich die dreidimensionale Visitenkarte eines Unternehmens ist. „Mit der Kunst habe ich wenige Sekunden Zeit, um einen guten Eindruck bei meinem Klienten zu hinterlassen.“ Klar, nicht nur die Kunst zähle, auch die Dienstleistung müsse stimmen, sagt die Künstlerin.
Hiller wendet sich wieder ihrer Staffelei zu. Sie drückt Farbe aus einer Tube, tupft den Pinsel auf die Leinwand und versinkt in einem Meer aus Farben.
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