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Potsdam-Mittelmark: Lauf zurück ins Leben

Tierische Therapeuten beim Verein Kompass helfen drogenabhängigen Jugendlichen, ihre Sucht zu bekämpfen

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Beelitz - Dominik ist 17 Jahre alt und hat in seinem Leben schon einiges an Drogen konsumiert. „Ich habe allen möglichen Scheiß genommen.“ Vor allem das Amphetamin MDMA und Ecstasy. Dominiks Kindheit war schwierig, mehr will er dazu nicht sagen. Seit rund einem Jahr sei er nun aber weg vom Stoff, dank des Vereins Kompass.

Kompass ist eine Jugendhilfeeinrichtung, die Mädchen und Jungen erlebnisorientierte Suchtarbeit anbietet. Eher außergewöhnlich sind die bellenden und lauffreudigen Therapiemittel. 34 Schlittenhunde unterstützen die 16 Mitarbeiter bei ihrer Arbeit mit den Jugendlichen. Laut Geschäftsführer Bernd Schmidt sei diese tiergestützte Pädagogik in Potsdam-Mittelmark einzigartig.

Einzigartig mutet auch der Standort an. Südlich von Beelitz, irgendwo in einer Wald- und Wiesenlandschaft am Rande des Ortsteils Elsholz, befindet sich die Einrichtung. Abseits allen Trubels und jeglicher Ablenkung. Es ist 7.30 Uhr, die aufgehende Wintersonne taucht den Himmel am Morgen in ein purpur glühendes Wolkenmeer, der Wind pfeift und es ist knackig kalt. Lediglich das Jaulen der Hunde auf dem Hof durchbricht die Böen und die beinahe romantisch anmutende Kulisse. Kaum zu glauben, dass an diesem Ort 16 Jugendliche und junge Erwachsene einen harten Kampf gegen ihre Sucht ausfechten und einen Teil ihrer Entwicklung nachholen. Jeder, der zu Kompass kommt, sei durch die Sucht in irgendeiner Form beziehungsgestört. „Zu den Hunden bauen sie zum ersten Mal in ihrem Leben eine richtige Beziehung auf“, sagt Bernd Schmidt. Für Kompass entschieden sie sich ganz bewusst, so der Geschäftsführer weiter, hauptsächlich wegen der Tiere.

Es sind jedoch nicht die Hunde, die zu Beginn das Leben der Bewohner verändern. „Es gibt bei uns Regeln, und die müssen eingehalten werden“, sagt Schmidt. Es seien ganz banale Dinge wie Sauberkeit und Pünktlichkeit, die den Jugendlichen anfangs Probleme bereiten. Die Jugendlichen seien es einfach nicht gewohnt, mit mehreren Menschen in einer Gruppe zurechtzukommen. „Plötzlich befinden sie sich in genau solch einer Stresssituation“, erklärt Schmidt.

Dominik hatte anfangs „gar keinen Bock auf die ganzen Regeln und die Betreuer“. Die ersten sechs Monate in Beelitz wurde er immer wieder rückfällig und beschaffte sich irgendwie Drogen. „Das ist bei uns kein Grund für einen Rausschmiss, die Jugendlichen müssen ihre Tat aber reflektieren können“, sagt Bernd Schmidt, der Dominik betreut.

Rund um die Uhr werden die Jugendlichen im Schichtsystem betreut, inzwischen seit zehn Jahren. Wenn beide Seiten miteinander klarkommen, verbringen die Jugendlichen Schmidt zufolge zwei Jahre bei Kompass. „Ferien sind das aber nicht.“ Der Alltag ist klar strukturiert, vom Aufstehen über Hausmeisterarbeiten bis zum Training mit den Hunden.

Halten sich die Jugendlichen an die Regeln, können sie sich nach drei Monaten für einen Bezugshund bewerben. Dominik hat sich für den Rüden Joschi entschieden. Beziehungsweise hat sich Joschi für Dominik entschieden. Hunde haben sozusagen Mitspracherecht, verrät Kathrin Wicknig, sozialtherapeutische Leiterin bei Kompass. „Die Hunde und die Jugendlichen müssen vom Charakter her zusammenpassen.“ Das sei wichtig, damit sich eine Beziehung zwischen beiden aufbaue. Nur so können die Hunde den wichtigsten Teil der Therapiearbeit übernehmen.

Auch die Verantwortung für das Tier trägt zur Therapie bei. Dominik und die anderen Bewohner versorgen mittlerweile ihre vierbeinigen Therapeuten und machen sie bereit für das Training. Ab Oktober beginnt für den Verein die Hundeschlittensaison, mehrmals in der Woche wird trainiert. Entweder wird die sieben Kilometer lange Hausrunde im Gespann mit bis zu acht Hunden abgefahren, oder der Bezugshund wird vor das Fahrrad gespannt. Die aber wohl anstrengendste Form ist Canicross. Hierbei ist der Läufer über eine Leine am Körper fest mit dem Hund verbunden. Wenn der Hund losrennt, muss auch das Herrchen mit.

An diesem Wochenende steht wieder ein gemeinsames Rennen zusammen mit dem Mitteldeutschen Schlittenhunde Club an. Eines von drei Rennen, die der Verein jährlich bestreitet. Dabei gehe es weniger um Preisgelder, sondern um den sportlichen Erfolg und die Anerkennung der Leistungen, so Bernd Schmidt.

Gerade Anerkennung hätten die Jugendlichen laut Schmidt in ihrem bisherigen Leben nie erfahren. „Durch die Hunde merken sie, dass sie etwas erreichen können, von dem sie dachten, sie würden es nie schaffen.“

An diesem Wochenende startet Dominik wieder mit Joschi an der Leine. Er hat gute Erfolgsaussichten, bereits im Oktober hatte er den dritten Platz bei der Mitteldeutschen Meisterschaft belegt.

Björn Stelley

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