Potsdam-Mittelmark: Leben retten zum Dumpinglohn ?
Streit über Vergabe der Rettungswachen im Kreis: SPD und Linke wenden sich gegen Vergabevorschlag
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Potsdam-Mittelmark - Wird der Rettungsdienst in Potsdam-Mittelmark künftig zu Dumpinglöhnen im Einsatz sein? Die Frage wird derzeit im mittelmärkischen Kreistag gestellt. Es geht um die Neuvergabe der Rettungswachen im Landkreis: Bislang halten mit den Johannitern, dem DRK und den Maltesern drei Träger die insgesamt 13 Rettungswachen am Laufen. Die Krankenkassen, die für die Leistungen komplett aufkommen, machen seit Jahren Druck beim Landratsamt, die Kosten zu senken. Dem hat Belzig nachgegeben, die Rettungswachen wurden voriges Jahr neu ausgeschrieben. Am Donnerstag hat der Kreistag über einen Vergabevorschlag zu entscheiden. Das komplette Verfahren läuft hinter verschlossenen Türen ab. Das Entsetzen im politischen Raum ist nun aber doch durchgesickert.
Besonders die Linke und die SPD haben Bauchschmerzen: Die Johanniter würden laut Vergabevorschlag künftig den Rettungsdienst für zwei Drittel des Landkreises betreuen. Bislang sind sie nur im Raum Beelitz zuständig, künftig würde der Großraum Belzig/Ziesar hinzukommen. Strukturell sind sie hier als Träger des Kreiskrankenhauses gegenüber dem bislang zuständigen DRK im Vorteil. Das DRK behält laut Vergabevorschlag nur die Rettungswachen in Teltow und Langerwisch. Nur auf den ersten Blick würde man mit den Johannitern die vom Landratsamt versprochenen 235000 Euro sparen, sagt Sozialausschusschefin Astrit Rabinowitsch (Linke). ,„Die zahlen ihren Mitarbeitern so wenig Geld, dass der Kreis den Betroffenen Wohngeld dazugeben müsste.“ Unter den Bietern hätte die „Johanniter Dienste Berlin-Brandenburg“ nicht nur den geringsten Lohn, sondern auch die längsten Arbeitszeiten. Dass Johanniter-Mitarbeiter unzufrieden mit ihrem Arbeitgeber sind, sei auch aus einem anonymen Brief an ihre Fraktion und nicht zuletzt aus TV-Dokumentationen bekannt, sagt Rabinowitsch.
SPD-Fraktionschefin Andrea Grochtmann sieht es ähnlich. „Wir können als SPD nicht auf Bundesebene für einen Mindestlohn von 7,50 Euro plädieren und dann einer Vergabe zustimmen, die unterhalb davon liegt.“ Sie hält es für mehr als einen Formfehler, dass die Kreisverwaltung bei der Formulierung des Ausschreibungstextes den Kreistag nicht einbezogen hat. „Das ist doch ein politisches Thema! Wir hätten niemals zugestimmt, dass die Kosten zu 45 Prozent als Kriterium in die Vergabe einfließen“, sagt Grochtmann. Qualität und Leistungsumfang hätten im Ausschreibungsverfahren einen weit höheren Stellenwert haben müssen als 55 Prozent.
Massive Kritik gibt es auch aus Werder (Havel): Die Malteser hatten sich dafür beworben, ihr hiesiges Einzugsgebiet zu behalten, sind aber offenbar wegen eines Formfehlers in ihrem Antragstext aus dem Vergabeverfahren herausgefallen. Stattdessen soll hier die bislang vor allem in Nordwestdeutschland tätige Promedica Rettungsdienste GmbH zum Zuge kommen. „Wir haben die Malteser seit 18 Jahren in der Stadt, sie haben im Schnitt jeden Werderaner dreimal ins Krankenhaus befördert“, rechnet Bürgermeister Werner Große (CDU) vor. „Mir erschließt sich einfach nicht, dass die Karten jetzt neu gemischt werden müssen. Und dass das dann noch alles im stillen Kämmerlein passiert.“ Ein niedrigerer Lohn könne nicht alleiniges Kriterium für eine Leistungsvergabe sein, meint Große. „Und anders kann man hier doch gar nicht sparen.“ Andere CDU-Leute aus Werder (Havel) sehen es ähnlich. Trotz der Widerstände gab es im jüngsten (nichtöffentlichen) Kreisausschuss noch eine knappe Mehrheit für den Vergabevorschlag des Landratsamtes, die aus CDU-, FBB- und FDP-Fraktionären gebildet wurde. „Das Vergabeverfahren ist ordnungsgemäß gelaufen und muss jetzt auch zwangsläufig beendet werden“, sagt CDU-Fraktionschef Rudolf Werner. Anderenfalls müsste mit Klagen der Bieter gerechnet werden. Werner zitiert aus dem medizinischen Fachblatt „Rettungsdienst“: Branchenexperten hätten die Kreisverwaltung ausdrücklich für ihr „fachmännisches Vorgehen“ bei der Neuvergabe gelobt. „Da können wir jetzt nicht die Bremse ziehen.“ Er räumt ein, dass er damit nicht für alle Mitglieder seiner Fraktion spricht.
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