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Aus dem Gerichtssaal: Lebensfremde Rechtfertigungen
Ein 81-jähriger Teltower soll mit dem Geld seiner Tante seine Spielsucht und nicht ihre Beerdigung finanziert haben. Beim Prozess vor dem Amtsgericht Potsdam gibt es aber noch einige ungeklärte Fragen.
Stand:
Teltow - War es Spielsucht oder Fürsorge? Fast 8 000 Euro soll der Teltower Frank W.* zwischen März und Mai 2013 insgesamt vom Konto seiner Tante abgehoben haben, zum ersten Mal ging er vier Tage vor dem Tod der Tante zum Geldautomaten. „Mein Mandant wollte damit den Nachlass erledigen, allein die Beerdigung hat gut 2 000 Euro gekostet“, sagte W’s Verteidiger am gestrigen Mittwoch vor dem Potsdamer Amtsgericht. Sein Mandant hatte eine Kontovollmacht, da er seine Tante gepflegt hat. Und da das Ableben der Tante vorhersehbar war und man täglich nur 1 000 Euro auf einmal beim Automaten abheben kann, habe er mehrere Tage vorher damit angefangen.
Richterin zweifelt an "lebensfremden" Aussagen
Die Richterin bezeichnete diese Erklärung gestern als „lebensfremd“, schließlich würden Bestatterrechnungen fast immer per Überweisung bezahlt. Vielmehr habe W. mit dem Geld seine Spielsucht finanziert. Auch die Staatsanwältin bezweifelte, dass W. das Recht hatte, vor dem Tod der Tante mehrere Tausend Euro abzuheben. Der 81-jährige Angeklagte, der an Parkinson erkrankt ist und zur Verhandlung unter starken Beruhigungsmitteln stand, hat zugegeben, mit dem Geld von einer der neun Abhebungen – nach dem Tod der Tante – in ein Spielcasino gegangen zu sein. „Da mein Mandant aber als Alleinerbe im Testament eingetragen ist, ging er davon aus, dass das Geld sowieso ihm gehört“, so der Verteidiger.
Zwar war das Testament zu dem Zeitpunkt noch nicht eröffnet, W. habe aber gewusst, dass er Alleinerbe ist. Allerdings: Auf das Bankkonto floss auch das Geld des 60-jährigen Enkels der Verstorbenen, der geistig und körperlich eingeschränkt ist und bei ihr lebte. Ob ihm durch die Abhebungen von W. Schaden entstanden ist, konnte das Gericht gestern nicht klären. Seine Betreuerin, die als Zeugin geladen war, war zum Termin nicht erschienen.
Frank W. ist kein Unbekannter
Frank W., der inzwischen in einem Berliner Pflegeheim lebt, ist vor Gericht kein Unbekannter: Bereits im Jahr 2010 wurde er wegen Untreue zu einer Haftstrafe von neun Monaten mit anschließender zweijähriger Bewährungsstrafe verurteilt, auch damals war seine Tante die Geschädigte. Warum sie ihm trotzdem wieder eine Kontovollmacht ausgestellt hat, blieb gestern unklar.
Rätselhaft ist auch ein Brief vom Oktober 2012: Ein halbes Jahr vor ihrem Ableben soll die Tante darin verfügt haben, dass W. die Vollmacht über ihr Konto entzogen wird. Stattdessen sollte die Pflegerin des Enkels den Kontozugriff erhalten. W’s Verteidiger bezweifelte gestern jedoch, dass die Verstorbene das Schreiben aufgesetzt hat. Die Handschrift weiche zu sehr von der des wenige Monate vorher erstellten Testamentes ab. Die Staatsanwältin führt die abweichende Handschrift auf den fortschreitenden körperlichen Verfall der Geschädigten zurück.
Warum die Änderung der Vollmacht nicht vollzogen wurde, konnte gestern nicht geklärt werden. Die Verhandlung soll am 6. April fortgesetzt werden. Dann soll die Betreuerin des Enkels vernommen werden. Zudem will die Staatsanwaltschaft bis dahin herausfinden, wie viel Geld genau vor dem Tod der Geschädigten abgehoben wurde und was die Beerdigung kostete.
* Name geändert
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