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Neue Reviere. Brandenburgweit wird inzwischen von 25 Wölfen plus Jungtieren ausgegangen.

© Herbert Kehrer

Von Henry Klix: Leichte Beute für Isegrim

Wölfe töteten 15 Lämmer auf einer Koppel in der Nähe des Lehniner Truppenübungsplatzes / Umweltamt gibt Tipps für Zäune

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Potsdam-Mittelmark - Auf mehrere Hundert Meter waren die Kadaver seiner erst sechs Wochen alten Lämmer verstreut. Seine zwischen Brück und Hackenhausen gelegene Weide sah aus, als „hätte jemand mit einer Schrotflinte um sich geschossen“, erinnert sich Schäfer Georg Angler aus Planebruch. Fünf Lämmer hatten sich noch rechtzeitig in die Büsche geschlagen, für den Rest war es eine bittere Nacht. Die Tiere hatten Bisswunden an der Keule, am Rücken, am Kopf und an der Kehle. 15 waren tot, 18 verletzt. Teilweise waren sie weitgehend aufgefressen. Leichte Beute für Isegrim?

Zumindest bei der Schadensregulierung wird das brandenburgische Landesumweltamt davon ausgehen, dass Wölfe die Tiere getötet haben, sagte Behördensprecherin Frauke Zelt. Die Untersuchungen des Falles wurden Ende der Woche abgeschlossen. „Ein kleiner Teil der Koppel an einem Wassergraben war nicht eingezäunt“, so Zelt. Von dort aus könnten die Wölfe eingedrungen sein. Hundertprozentige Sicherheit, dass es Wölfe waren, gebe es aber bei dem uneinheitlichen Rissbild nicht.

Für Schäfer Georg Angler schon. Für ihn ist der grausige Zwischenfall, der sich in der Nacht zum 10. August ereignet hatte, keine große Überraschung: Die Weidefläche befindet sich nur zwei Kilometer vom ausgedehnten Lehniner Truppenübungsplatz entfernt. Dass dort einzelne, aus Polen über Sachsen eingewanderte Wölfe streunen, ist seit Monaten bekannt. Offenbar haben sie Nachwuchs bekommen: Ein Rentnerpaar hat in der Gegend vor einigen Wochen erstmals beobachtet, wie ein Rudel am helllichten Tage einem Reh hinterherjagte. „Denen hat keiner geglaubt“, weiß Angler. Ein Wolfsrudel besteht aus dem Elternpaar und den Nachkommen. Schäfer Angler glaubt, dass der Nachwuchs auch auf seiner Koppel randaliert hat. Sie ist zwar von einem engmaschigen Elektrozaun umgeben. Am Wassergraben hatte er aber tatsächlich nur ein Stromband gespannt. Inzwischen hat er die Zäune und Aggregate verstärkt.

Junge Wölfe beginnen nach zwei Jahren, in der Umgebung ihr eigenes Revier zu suchen. Bis jetzt wurden im benachbarten Werder (Havel) zwar noch keine Graukittel beobachtet, sagt Bernd Jaeneke von der Jagd- und Hegegemeinschaft Werder. „Theoretisch ist das inzwischen aber natürlich möglich.“ Aus Sicht des Landesumweltamtes besteht deshalb noch kein Grund zur Panik. Vor Menschen flüchteten sie schon bei 100 Metern Entfernung.

Brandenburgweit wird derzeit mit etwa 25 der geschützten Tiere plus Nachwuchs gerechnet, sagte Behördensprecherin Zelt, europaweit sind es 25 000. Die Beute des Wolfs besteht zu 97 Prozent aus Rehen, Rot- und Schwarzwild, dann kommen Hasen und Kleinsäuger.

Nutztiere, besonders Schafe und Ziegen, machen nicht mal ein Prozent der Beute aus. Wütet der Wolf auf der Weide, dann tötet er allerdings eine ganze Anzahl von Tieren, Fachleute sprechen vom „overkilling“. Während in freier Wildbahn der Rest einer angegriffenen Herde fliehen kann, wird der Jagdinstinkt bei eingesperrten Tieren immer wieder aufs Neue stimuliert.

In der kostenlosen Broschüre „Wölfe in Brandenburg“ gibt das Landesumweltamt Tipps an Tierhalter: Knapp ein Meter hohe, unter Strom gesetzte „Euronetzzäune“, am besten mit einem Flatterband erhöht, machten die Koppel sicherer. Als wirkungsvoll gilt auch der Einsatz von Herdenschutzhunden. Einige Schäfer haben sich offenbar schon auf die Anwesenheit der Wölfe eingestellt: Im Jahr 2007 waren erstmals vier Schafs- und Ziegenrisse gemeldet worden. 2008 schnellte die Zahl mit 71 getöteten Tieren in die Höhe. Im vorigen Jahr waren es dann nur noch 35.

Schäfer Georg Angler hält Wölfe nicht für die einzige Katastrophe für seine Herde: In diesem Jahr hatte er vorwiegend damit zu tun, seine Schafe und Jungtiere vor Kolkraben oder der Hitze in Sicherheit zu bringen.

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