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Potsdam-Mittelmark: Liebesdienst für Liebesinsel

Der Schilfgürtel an Werders Havel geht an vielen Stellen zurück / Die Stadt sucht nach Lösungen

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Werder (Havel) - Die Liebesinsel im Glindowsee ist nicht mehr, was sie einmal war. Vor 20 Jahren war sie von dichtem Schilf umfangen, zum Ufer hin gab es einen rund 200 Meter langen Röhrichtstreifen. Detlef Michel vom Verein „Wassersportfreunde Binnengewässer“ hat den Zustand von 1985 genau kartiert, heute wächst hier kein Gras mehr. Auch in vielen anderen Uferbereichen des Sees sind die Schilfzonen schmal geworden oder ganz verschwunden, sagt Michel.

Über diese und andere Beispiele wird viel in Werder diskutiert, der Bauausschuss machte sich am Mittwochabend bei einer Schiffsfahrt selbst ein Bild von der Situation. Eine Handvoll Experten war mit an Bord. Zwei Karten Michels sind bislang das Einzige, was an Daten von der Entwicklung der Schilfzonen an der Werderaner Havel vorliegt. Durch den Vergleich des Ist-Zustands mit alten Luftbildern könnte das Thema wissenschaftlich aufgearbeitet werden, wie es hieß.

Fischer Alexander Mai bestätigt derweil den Trend: Ob am Ostufer des Schwielowsees oder an der Nordspitze der Inselstadt – wo einst die Reusen im Schilf standen, sind heute Wasser und Erlen. Dabei ist das Schilf – ob als Kinderstube der Fische, Brutstätte von Vögeln oder als wirksamer Wasserfilter – für Fischereiwirtschaft, Naturschutz und Tourismus gleichermaßen bedeutend.

Wo liegt das Problem? Zumindest die Wasserqualität der Havel hat sich seit der Wende verbessert, das Klärwasser vom Stahnsdorfer Klärwerk ist inzwischen – bis auf chemische Bestandteile – sauberer als die Havel selbst, sagt Günter Kehl von der Belziger Naturschutzbehörde. Doch auch wenn sehr viel weniger Fäkalien und Düngemittel aus der Landwirtschaft in die Havel gespült werden, gibt es noch den unerwünschten Phosphoreintrag, der die Algen vermehrt. So werden Phosphorverbindungen bei Regen auch von Straßenoberflächen ins Wasser geschwemmt, erklärt Ralf Köhler, Wasserexperte des Umweltverbands BUND. Wegen des Nährstoffs wächst das Röhricht zu schnell und knickt um.

Laut EU-Wasserrahmenrichtlinie müssen europäische Gewässer bis 2015 in einen guten ökologischen Zustand versetzt werden, Werder will sich jetzt beim Agrarministerium um entsprechende Gewässerschutzprojekte bewerben. Für den Plessower See gibt es durch den BUND bereits entsprechende Bemühungen, auch er könnte „eine ganze Klasse sauberer“ sein, wie es hieß.

Doch das Schilfwachstum wird noch durch andere Faktoren ausgebremst: illegale Badestellen, den Bau von Steganlagen, Bootspropeller in Ufernähe. Illegalen Stege im Bereich des Rüsterhorns am Glindowsee müssen jetzt nach der Intervention der Naturschutzbehörde zurückgebaut werden. Der touristische Bootsverkehr hat spürbar zugenommen, der Wassersog großer Booten und Wasserstandsschwankungen wirken sich gerade auf junges Schilf negativ aus, sagte BUND-Experte Köhler. Fischer Mai berichtete zudem von Erfahrungen mit Bisamratten, die junge Sprosse als Winternahrung nutzen. Als er südöstlich der Strengbrücke Bisamfallen aufgestellt hatte, sei auch der Schilfgürtel wieder gewachsen.

Aus Sicht von Werders 1. Beigeordnetem Hartmut Schröder gibt es einen weiteren Rückzugs-Grund: „Früher wurde Schilf für Dächer oder Rohrmatten benötigt.“ Heute ist Schilfschnitt nicht mehr attraktiv. Trockenes Schilf verrottet und verhindert den Nachwuchs. Bei einem Nachbarn am Scheunhornweg, der regelmäßig schneidet, ist der Gürtel schon wieder dichter geworden, zeigte Schröder vom Wasser aus. Bauausschussmitglied Joachim Hintze machte an seinem Grundstück ähnliche Erfahrungen. Zwischen 15. September und 15. Mai dürfen bis zu 100 Quadratmeter Schilf genehmigungsfrei „geschuffelt“ werden.

Was die Liebesinsel im Glindowsee angeht, will sich die Stadt für eine Ausgleichmaßnahme des Havelausbaus einsetzen: Durch Buhnensperren könnte verhindert werden, dass Boote der Insel zu nahe kommen oder durch das Flachwasser zwischen Plötzhorn und Insel fahren, das mal zugewachsen war. An mehreren Stellen soll dann neues Schilf gepflanzt werden, ein Liebesdienst für Fische und Wasser. Henry Klix

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