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Potsdam-Mittelmark: Lohrischs Weihnachtsstube

Der Kleinmachnower Künstler verleiht dem Heiligen Abend einen ganz besonderen Glanz

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Der Kleinmachnower Künstler verleiht dem Heiligen Abend einen ganz besonderen Glanz Von Kirsten Graulich Kleinmachnow. Wenn der Herbstwind die Blätter von den Bäumen fegt, öffnet Hermann Lohrisch Kommoden und Schränke, um sich bereits an grauen Novembertagen Weihnachtsstimmung in die Stube zu holen. Kerzen tragende Engel, Nussknacker und Räuchermännchen packt er zuerst aus Kisten und Kartons. Danach wird die vierstufige Pyramide aufgebaut. Später kommen die schwarz gekleideten Kurrendesänger mit Laterne und leuchtendem Stern an die Reihe. Die Chorknaben, die einst kirchliche Hilfsdienste übernahmen und auf der Kirchenempore standen, stehen auch bei Hermann Lohrisch auf einem Podest: einer handbemalten Spanholzschachtel. Dahinter die Seiffener Rundkirche, die seit Jahrzehnten zu den bekanntesten Weihnachtsmotiven des Erzgebirges zählt. Den größten Platz auf dem Büfett nehmen allerdings kleinere Figuren, Häuser, Bäume, Eisenbahn und Pferdegespanne ein. Auch ein Jahrmarkt mit Karussel, Kasperletheater und Luftschaukel ist dabei. Staunend bleiben die meisten Besucher, die den Kleinmachnower Künstler besuchen, vor dem Spielzeugland stehen und erinnern sich mit diesem oder jenem selbst einmal gespielt zu haben. Immer wieder gibt es etwas zu entdecken wie beispielsweise die Miniatur-Drechslerwerkstatt. Die hat hauchdünne Treibriemen, die von einer Wand zur anderen reichen, darunter stehen Sägetisch, Hobel- und Drechselbank, zwischen denen sich milimetergroße Spanhäufchen türmen. Der Duft von frischen Holzspänen gehört zu den schönsten Erinnerungen des 82-Jährigen Bildhauers Hermann Lohrisch. Bevor er an der Dresdner Kunstschule Architekturplastik studierte, erhielt er eine vierjährige Ausbildung als Holzschnitzer in Oberammergau. Die Arbeit mit Holz ist auch Familientradition. Seine Mutter, Margarete Kühn hatte 1915 mit ihrer Freundin Margarete Wendt die Spielzeugmanufaktur „Wendt und Kühn" in Grünhainichen im Erzgebirge gegründet. Die Firma gibt es immer noch, heute arbeiten 150 Mitarbeiter in der Werkstatt, die die Tradition erzgebirgischer Volkskunst fortsetzen. Von einstmals 100 Figuren wurde das Sortiment aus Engeln, Blumen- und Sternenkindern auf 400 erweitert. Elf weiße Punkte auf grünen Engelsflügeln garantieren Käufern, dass sie „keinem falschen Engel verfallen sind", denn dieses Echtheitszertifikat für die Himmelsschar aus Grünhainichen ist patentiert. Ein ganzes „himmlisches Orchester" nimmt zu jedem Weihnachtsfest in Hermann Lohrischs Spiegelvitrine seinen angestammten Platz ein. Mit Pauke, Trommel, Harfe, Trompeten und Geigen sorgen sie für Feststimmung. Etwa 15 Teile, inklusive der blonden Locken, werden für die „Geburt eines Engels" benötigt, weiß Lohrisch. „Früher war alles noch Handarbeit, heute übernimmt ein Drechselvollautomat viele Arbeiten", erzählt er. Allerdings ist die Bemalung immer noch Handarbeit. Rund 40 mal wird ein Engel in die Hand genommen, bevor um sein Haupt ein Jungfernkranz gewunden wird und eine sichere Hand mit dem Pinsel das „himmlische Minenspiel" aufsetzt. Jahrelang hat Hermann Lohrisch die Figuren aus dem Erzgebirge gesammelt und mindestens zwei Tage braucht er nun, um alle an ihre Plätze auf Büfett, Tisch und Vitrine zu dirigieren. Danach wird die Spieluhr aufgezogen und wenn die Klänge von „Morgen Kinder wird''s was geben" die Stube erfüllen, scheint es fast, als würden die großen Kerzenengel noch erhabener blicken und der Nussknacker im roten Rock noch strenger schauen. Aber erst am Heiligabend, wenn Kerzenlicht alles in festlichen Glanz taucht, wirkt alles wie verwandelt und lädt zum Träumen ein. Und wer Glück hat, wird von Hermann Lohrisch zum Schauen eingeladen: „Wenn Sie mal etwas sehen wollen ...?"

Kirsten Graulich

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