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Jubilar. Hans-Jürgen Brauer stellt zu seinem 75. Geburtstag im Teltower Bürgerhaus aus. Die Werke geben auch Veränderungen im Schaffensstil des Künstlers wieder.

© Stadt Teltow

KulTOUR: Hans-Jürgen Brauer in Teltow: Malers Zeit- und Lebensreise

Hans-Jürgen Brauer zieht im Teltower Bürgerhaus ein Resumee zu seinem 75. Geburtstag.

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Teltow - Irgendwann ist es so weit, dann heißt es mit dem alten Fontane „Immer enger, leise, leise, ziehen sich die Lebenskreise“. Dann blickt retour auf sich zurück, auf seine Hierseinszeit. Was des einen Fotos und dies fatale „wie war das damals doch gleich?“ ist, sind des anderen gilbige Tagebücher.

Ein Maler braucht das nicht, er hat seine Bilder, alles Lebenszeugnisse der inneren wie der äußeren Biografie, und also stets ein Faszinosum. Das ist bei Hans-Jürgen Brauer nicht anders. Sein Eingedenken zum 75. im September kann man derzeit im Teltower Bürgerhaus unter dem Titel „Zeitreise“ sehen, und auch rechtens bewundern, denn wer Geist und Übersicht mitbringt, wird mit inzwischen fast vergessenen und verdrängten Einsichten belohnt.

Schulen sei diese Retrospektive besonders ans Herz gelegt, der Maler ist ja keiner aus Wolkenkuckucksheim! Sohn der Stadt seit 1971, geboren aber in Elsterwerda, lebt und arbeitet er gerne in Teltow, je länger, je lieber. Und hat die Verschlingungen seines „Jahrhunderts“ mit wachem Blick in Bildern festgehalten, und ihn als Lehrer im Malen auch seinen Schülern weitergegeben. Insofern ist diese Ausstellung absolut authentisch, und ist, Wand für Wand, Spiegel von Biografie und Curriculum zugleich.

Lebenszeit – Werkkomplex: Dem Entree gegenüber hängt der Bildzyklus zum fast vergessenen Fanal Verdun. Vor Ort entstandene Filzstift-Zeichnungen von den scheinbar unverwüstlichen Schlachtfeldern des „großen Krieges der weißen Männer“, wie der Schriftsteller Arnold Zweig dieses Unglück einst nannte.

Eine Düsternis. Daneben als Collage „wie es heute dort aussieht“. Dies alles ist, berührend, seinem Onkel gewidmet, einem aufstrebenden jungen Maler, in Verdun gefallen.

Ein weiterer Teil der Ausstellung gilt Teltow selbst. Wie alliierter Bombenhagel alles ohne Erbarmen in Grund und Boden brannte, wie kurz vor 1989 die historische Innenstadt abgerissen werden sollte, wie Zäune und Wachtürme aussahen, als sie fielen. Die allgemeine Verunsicherung der Leute. Oder das damals besetzte Holländerviertel in Potsdam mit seinen originellen Spruchbändern, der Stasiknast samt Tigerkäfigen. Natürlich gibt es hierzu massenhaft Bilder und Fotos, aber Malen ist immer intensiver als jede Dokumentation – wenn man’s nur kann.

Wichtig sind diese Schau, dieser Maler schon deshalb, weil die nächste Generation von all dem Gestern nichts mehr wissen wird, nichts mehr wissen will vom „so sah das damals mal aus“. Doch gemach, wie oft überspringt der Geist die eine, und macht erst mit der nächsten weiter! Ist die Geschichte mit seinem Onkel nicht ein Exempel hierfür?

Was für eine abenteuerliche Zeitreise also, im Bild und im Geist! Privat die Mutter mit Hundert, Enkel, die geliebten Katzen, Akt und Porträt, das Wohnhaus im Jugendstil mit Blick nach Gegenüber, Blumen im Stillen. Und dann die regelmäßigen Fahrten: Ostsee, Schwarzes Meer, Normandie – ganz besonders die, aber davon erzählte ja jüngst die Ausstellung in Petzow.

Auch der gelahrte Kenner des Malens kommt bei dieser faszinierenden Schau auf seine Kosten, denn ein Dreivierteljahrhundert ändert auch die Handschrift. Anfangs eher zögerlich in Farbe und Ausdruck, dann der kräftige Strich voller Unruh, die flackernden Farben, der vollständig ausgefüllte Bildraum, Horizont und – meist gelungen – Komposition, die manchmal erzwungene Unschärfe. Das ist „seins“, die Eigen-Art von Hans-Jürgen Brauer, am Leben geschult, vom Kunstsinn geführt. Seine Zeitreise eben. Gerold Paul

Bis 29. September, Bürgerhaus Teltow, Ritterstraße 10. Montag, Mittwoch und Donnerstag 9 bis 17 Uhr, Freitag 9 bis 12 Uhr

Gerold Paul

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