Potsdam-Mittelmark: Malzbetont und mild gehopft Theodor Fontane und „die Werdersche“
Fontane hat einst davon geschwärmt und es war ein Exportschlager der Blütenstadt: Zur Baumblüte wird wieder Werdersches Bier gebraut
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Fontane hat einst davon geschwärmt und es war ein Exportschlager der Blütenstadt: Zur Baumblüte wird wieder Werdersches Bier gebraut Von Henry Klix „All Großes, wie bekannt, wirft seinen Schatten; und ehe dich, o Bayrische, wir hatten, Erschien ankündigend, in braunem Schaum Die Werdersche. Ihr Leben war ein Traum.“ „Und wird es jetzt auch wieder“, setzte Bürgermeister Werner Große den Versen Theodor Fontanes gestern hinzu. Großes Botschaft war spektakulär: Das Werdersche Bier, über dass der „Wanderer durch die Mark“ einst so ins Schwärmen geraten war, wird wieder gebraut. Nicht in Werder, aber nach alter Rezeptur. Und mit Wasser aus der Blütenstadt – genauer vom Wasserwerk am Plessower See. So sprudelte es zur Wiederbelebung einer Jahrhunderte langen Brautradition nicht aus einem Bierfass, sondern aus einem Feuerwehrhydranten vor dem Alten Rathaus auf der Inselstadt. Die Freiwillige Feuerwehr hatte mit einem TLF 46 den Transport von 4600 Liter Wasser in die Braumanufaktur „Forsthaus Templin“ übernommen. Noch vor hundert Jahren fand das Heimatbier auch in Potsdam und Berlin hervorragenden Absatz. Es war, neben Obst und Ziegeln, einer der „Exportschlager“ der Stadt an der Havel. Zum diesjährigen Baumblütenfest (24. April bis bis 2. Mai) soll der nach altem Brauverfahren hergestellte Hopfensaft nun wieder verkauft werden. Um den Original-Geschmack zu treffen, wurden Fontanes dreiseitige Beschreibungen bemüht. Jörg Kirchhoff und Thomas Köhler, Inhaber der Braumanufaktur, sind zudem auf alte Analysen zur Zusammensetzung gestoßen. „Ein sehr süffiges, malzbetontes und mild gehopftes Bier“, beschreibt Kirchhoff den Geschmack. Bernsteinfarben, 12 Prozent Stammwürze, 4,8 Prozent Alkohol – genau so soll es mit alten Aromen und Naturdoldenhopfen wieder werden. Wenn es „läuft“, könnte das Werdersche bald zum festen Inventar des Baumblütenfestes und sogar der regionalen Gastronomie gehören, meinen die Brauer. Das Potenzial ist im Forsthaus vorhanden: In den Kellern am Templiner See können 40000 Liter Bier gelagert werden. Für den Eigenbedarf wird nur ein Viertel der Kapazität beansprucht. Mitte Mai soll eine Flaschenabfüllanlage hinzu kommen. So ist es auch denkbar, dass die alten, rot-weiß-blauen Bieretiketten der „Vereinigten Werderschen Brauereien“ wieder zum Einsatz kommen. Wieso die Geschichte des Werderschen vor 90 Jahren endete, war eine Frage, die sich nach dem Genuss einer kleinen Probeabfüllung mit ähnlichen Geschmacksqualitäten zwingend stellte. Die Werder-Historiker Balthasar D. Otto und Reimar Golz haben sich um das Thema bereits verdient gemacht. Gerade in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts muss das Bier aus den vier Werderaner Brauereien in Strömen geflossen sein. Sechs bis sieben Millionen Liter Bier wurden seinerzeit ausgeführt. Vier große Brauereibesitzer stellten es her, mit dem 1887 erbauten Brauhaus in der Lindenstraße 1 ist die Tradition auch heute im Stadtbild präsent. Doch seit der Jahrhundertwende, als die bayrische Brauart nach Preußen überschwappte, ging“s bergab. Sie brachte eine neue Geschmacksnote und machte das Bier haltbarer. Gegen Schultheiß und Kindl, die die Zeichen der Zeit erkannt hatten, versuchten sich die Werderschen Brauer 1896 noch mit einer Fusion zur „Werderschen Brauerei AG“ zu wappnen. Zwanzig Jahre hielt man so die Stellung, dann folgte der Konkurs. „Unser Bier wurde durch die Bayern kaputt gemacht, aber jetzt schlagen wir zurück“, brachte Bürgermeister Große die Auferstehung auf den Punkt. Auf der Grünen Woche wurde die Idee geboren, die Nachbarschaft des Werder-Stands mit dem des Forsthauses war schicksalhaft. Nun gibt es neben Obstwein zur Baumblüte also auch Frischgezapftes von hier. Auf der Bismarckhöhe, dem Markt und vor der Inselbrücke wird der Gerstensaft verkauft. Und wer weiß, vielleicht ja bald auch wieder in Berlin und Potsdam? Am Samstag, 13. März, wird das „Werdersche“ im Forsthaus Templin eingebraut. Von 11 bis 19 Uhr kann beim Brauprozess zugeschaut werden. Auszüge aus „Wanderungen durch die Mark“: märkisch national, ein Ding für sich, so erschien die Werdersche. Sie war dem Landesgeschmack geschickt adaptiert, sie stellt sich einerseits in Gegensatz gegen die Weiße und hatte doch wiederum so viel von ihr an sich, dass sie wie zwei Schwestern waren, dasselbe Temperament, dasselbe prickelnde Wesen, im übrigen reine Geschmackssache: blond oder braun. In Kruken auftretend und über dreimal gebrauchten Korken eine blasse, längst ausgelaugte Strippe zu leichtem Knoten schürzend, war sie, die Werdersche der glückliche Konkurrent der älteren Schwester, und die bekannten Kellerschilder bequemten sich mehr und mehr, neben der blonden Weißen, die braune Werdersche ebenbürtig einzurangieren. sie wurde Nahrbier in des Wortes verwegenster Bedeutung, und das gegenwärtige Geschlecht, wenn auch aus zweiter Hand erst, hat Kraft und Leben gesogen aus der Werderschen.
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