Potsdam-Mittelmark: „Man wird fündig, wenn man sucht“ Wittbrietzen auf den Spuren seiner Geschichte
Von Gerold Paul Beelitz·Wittbrietzen - Salzbrunn hat sie, Elsholz hat sie, Beelitz hat sogar mehrere – nur der Flecken Wittbrietzen hinkt etwas nach, wenn es um das Thema einer aktuellen „Ortschronik“ geht. Das ändert sich jetzt.
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Von Gerold Paul Beelitz·Wittbrietzen - Salzbrunn hat sie, Elsholz hat sie, Beelitz hat sogar mehrere – nur der Flecken Wittbrietzen hinkt etwas nach, wenn es um das Thema einer aktuellen „Ortschronik“ geht. Das ändert sich jetzt. Kürzlich versammelten sich im sachlich-kühlen Gemeinderaum 25 interessierte Einwohner, um zusammen mit Günter Käbelmann über die Herstellung einer solchen zu beraten. Er verfasst seit Jahrzehnten solche Gegenwart und Zukunft interessierenden Schriften für Dörfer und Städte, Betriebe und Institutionen. „Es ist mir sehr wichtig, das Wissen der Einwohner um die Vergangenheit zusammenzutragen und zu dokumentieren“, schrieb Ortsbürgermeisterin Simone Spahn, die Jüngste der Runde, in ihrer Einladung zum (ersten) „Wittbrietzener Chronikabend“. Pfarrer und Gemeindekirchenrat, Frauenhilfe und im Ort ansässige Vereine hatten ihr Kommen zugesagt und alle waren dafür. Warum auch nicht. Geschichte ist überall. Ihr wichtigstes Potential, neben Bauten und alten Akten, ist noch immer der Mensch. Käbelmann erklärte zuerst ausführlich, wie eine Ortschronik entsteht. Sie ist keine Ansammlung von Daten und Namen nach Schema F, sondern berücksichtigt immer die Spezifika ihres Gegenstandes. Mit sorgfältig dokumentierten Befragungen der Anwohner hat er längst begonnen. Dann folgt die Sichtung des zusammengetragenen Materials, woraus sich die ersten Schwerpunkte der künftigen Chronik ergeben. Je mehr sich an den Vorbereitungen beteiligen, um so besser. Doch letztlich muss alles („geht gar nicht anders“) in einer Hand bleiben. Die Versammlung kam nicht mit leeren Händen. Zeitungsausschnitte, Fotos, Postkarten und anderes lagen zur Einsicht bereit. Es stellte sich sogar heraus, dass Günter Käbelmann mit Detlev Fechner einen „Kollegen“ gefunden hatte, welcher im Zusammenhang mit der Erneuerung der Kirchturmspitze die alte Chronik Wittbrietzens aufarbeitet. Er wird fortan festhalten, was bis etwa 1800 geschah, der Kleinmachnower Käbelmann die neuere Zeit, einschließlich der noch unerforschten LPG-Geschichte. Nach anfänglichem Zögern kam so allerhand ans Licht. Einer erzählte, er sei als Kind kurz nach dem Krieg mehrmals die Woche zu Fuß („mit dem Hund“) bis nach Alt Bork gelaufen, um im Auftrag seines Vaters Brot und Brötchen zu verkaufen. „Stammkundschaft“ war nicht nur damals eine Überlebensfrage. In der Backstube jedoch habe zuvor ein Schuster gearbeitet. Schon waren zwei Gewerke da. Mit „der alten Dampfmühle“ kam ein drittes dazu, und wieder eine Geschichte: In den Fünfzigern wurde dort Bauholz geschnitten, als Reparationsleistung für die Russen, indes obiger Bäcker seinen Ofen mit den abfallenden Sägespänen fütterte. Die erstaunte Runde erfuhr sogar von zwei Familienchroniken, deren eine bis zum Dreißigjährigen Krieg reicht. So hatte mancher noch Verborgenes im Schrank, zum Beispiel die Annalen der örtlichen Kulturgruppe, vor allem eines Chores, dessen Männer so gut vorsangen, dass man keinen nach Hause schicken konnte. Wenn das Amt jetzt per Aushang um Mithilfe bittet, kommt sicher noch mehr ans Licht, denn „man wird fündig, wenn man nur sucht“. Damit ergibt sich für den Chronisten, den nur die Dankbarkeit seiner Leser für seinen enormen Einsatz belohnt, die Not der Begrenzung. Aufwand und Nutzen müssen in vertretbarem Proporz stehen, und so wird, wenn das Werk im nächsten Jahr fertig ist, zwar vieles der Nachwelt überliefert, doch „alles“ mitnichten. Schade eigentlich, aber es geht ja nicht anders.
Gerold Paul
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