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Potsdam-Mittelmark: Männerhaus sucht Chef
Brandenburgs einzigem Zufluchtsort für misshandelte Männer fehlt Personal
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Potsdam-Mittelmark - Frauen sind nicht nur Engel. Dietmar Gettner kann ein Lied davon singen, dass sich auch das vermeintlich schwache Geschlecht nicht nur mit Worten zur Wehr setzt. Seit sechs Jahren bietet er misshandelten Männern aus ganz Deutschland Zuflucht auf einem Gehöft bei Ketzin. Wie lange er das noch kann, ist offen: Gettner sucht dringend einen Nachfolger, der das einzige Männerhaus Brandenburgs betreuen will.
„Wir sind ein Gewaltschutzhaus und nehmen generell Menschen auf, die sich von Gewalt bedroht fühlen.“ Mit seinen 70 Jahren fühlt sich Dietmar Gettner gesundheitlich kaum noch in der Lage, die derzeit 14 Menschen auf seinem Hof zu betreuen. Vor drei Jahren hatte er eine Operation an der Prostata, bei der einige seiner Nerven zerstört wurden. So kann er kaum noch längere Zeit laufen und muss die meiste Zeit im Rollstuhl verbringen. Er wünscht sich, bald jemanden zu finden, mit dem er das Haus zunächst noch zusammen führen kann, um ihn in die Aufgabe einzuarbeiten.
Zu den Aufgaben gehört es, Männer vom Nauener Bahnhof abzuholen, die aus ganz Deutschland in das Männerhaus kommen. Sie werden von der Polizei oder auch von Frauenhäusern nach Ketzin geschickt, an die sich die Männer in ihrer Verzweiflung wenden. Gettner erinnert sich besonders an einen jungen Mann, der blutig und zerkratzt zu ihm kam. „Auch Frauen schlagen mal zu.“ Zwei Wochen habe der Mann, dessen Namen nicht genannt werden darf, hier Zuflucht gefunden, ehe seine Mutter und sein Bruder ihn zu sich nahmen. Etwa 50 Gewaltopfern habe er so schon geholfen, die von ihren Frauen und den Familien weg mussten. Die Polizei könne oft nicht feststellen, wer wirklich wen geschlagen hat und glaube dann Gettner zufolge meist der Frau. Zudem müssten sich die misshandelten Männer Sprüche der Beamten anhören, wie „Du wirst doch wohl mit deiner Frau fertig werden“. Das sei jedoch das Problem: Die Männer, die zu ihm kommen, würden sich nicht gegen Frauen wehren.
Zur körperlichen kommt meist die psychische Gewalt hinzu. So verbieten viele Frauen ihren Männern den Umgang mit den eigenen Kindern. Auch Dietmar Gettner ist das passiert. Deshalb bietet er auf dem Hof auch eine Begegnungsstätte für Väter und ihre Kinder, viele würden hier ganz in Ruhe ein gemeinsames Wochenende verbringen. Die Zimmer sind zwar einfach ausgestattet, jedoch ist alles sauber und in gutem Zustand. Zudem gibt es hinter dem Haus eine Koppel mit Pferden, auf denen die Kinder reiten können.
Im Hauptgebäude des Anwesens ist inzwischen eine komplette Familie eingezogen. Sie kommt aus Potsdam-Mittelmark, die genaue Herkunft und ihren Namen wollen sie jedoch nicht in der Zeitung lesen, da noch ein Gerichtsprozess gegen den ehemaligen Vermieter läuft. „Sie mussten im Januar aus ihrer alten Wohnung raus, da diese voller Schimmel war und der Vermieter nichts dagegen unternahm“, sagt Dietmar Gettner. Die Kinder hat der Schimmel krank gemacht. Der Familienvater ist Handwerker und hat hier inzwischen eine Dreizimmerwohnung für seine Familie selbst ausgebaut. Jetzt helfe er, das Gehöft in Schuss zu halten.
Finanziert wird das Männerhaus, das einer englischen Gesellschaft gehört und Gettners Verein Gewaltschutzhaus Lindenhof Ketzin zur Verfügung gestellt wird, durch die Mieten der Männer. 290 Euro kostet ein Zimmer pro Monat. Dafür bekommen die Gewaltopfer 26 bis 36 Quadratmeter große Einzelzimmer, in denen sie eigentlich nur einige Wochen verbringen sollen, bis eine bessere Lösung gefunden ist. Ein Mann wohne aber bereits seit drei Jahren hier. Er ist 46 Jahre alt und darf sein eigenes Haus nicht mehr betreten, da die Tochter Angst vor ihm habe. „Dabei hat er dem Mädchen nie etwas getan und der Mutter auch nur einmal an den Haaren gezogen, als die ihn im Streit provoziert hat“, so Gettner.
Viele Menschen, die eigentlich nur kurz Unterschlupf im Haus finden wollten, würden länger bleiben. Hier sei es schließlich friedlich. Die Frage ist nur, wie lange Gettner das noch durchhält.
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