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Potsdam-Mittelmark: „Märchen gehen immer“
Mit Handpuppe und Stimme: Zu Besuch bei einem Workshop für Vorlesepaten in Kleinmachnow
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Kleinmachnow - „Am dam des, disse malle press.“ Eine Gruppe von Rentnern versucht gerade, sich in den Kleinkind-Status zurück zu versetzen. Alles wiederholen und dabei die Silben mitklatschen. Es geht los: Einige klatschen aus Versehen dazwischen.
Hier in der Bibliothek in Kleinmachnow, am Südwestrand Berlins, sind sogenannte Vorlesepaten zu einem Workshop zusammengekommen. Unter den 20 Teilnehmern sind vor allem Rentner aus der Region, vereinzelt auch Bibliothekare. Die meisten von ihnen lesen regelmäßig und ehrenamtlich für Kita-Kinder, daher der Begriff Vorlesepate. In dem Kurs wollen sie sich Anregungen holen.
„Märchen gehen immer“, sagt eine Teilnehmerin über ihren Alltag in der Kita. Ihre Nachbarinnen stimmen zu. „Und was sie ganz toll finden ist, wenn man in den Raum hineinspricht und nicht auf das Buch schaut“, ergänzt die Mittsechzigerin.
Eine andere Ruheständlerin berichtet, dass die Kinder sofort in einer Traube um sie herumstehen, sobald sie die Kita betritt. Das Vorlesen hat aber offenbar auch seine Tücken. „Wehe, man sagt den Satz nicht so, wie er im Buch steht.“ Heftiges Kopfnicken am Tisch. „Dann heißt es: Du sollst lesen und nicht erzählen.“
Irmgard Jehlicka will den Vorlesepaten Tipps an die Hand geben, wie das Erlernen der Sprache funktioniert. Die Sprecherzieherin sowie Stimm- und Sprachtherapeutin aus Potsdam hält einen kleinen Ball in der Hand. Eine ältere Frau soll sich in ein Kind hineinversetzen, das noch nicht sprechen kann. Schwierig. Sie setzt an, die Trainerin unterbricht sofort: „Sie können doch nicht sprechen!“ Nach einer Weile kommen Laute und die Frau zeigt auf den Ball. Durch ständiges Hin- und Hergeben lernen Kinder Begriffe, wie Jehlicka erläutert.
Bundesweit gibt es Rentner, die in Schulen, Kitas oder Familienzentren vorlesen. Zu den Einrichtungen, die Vorlesepaten vermitteln, zählt der Förderverein „Akademie 2. Lebenshälfte im Land Brandenburg“. Er hat auch zu dem Workshop in Zusammenarbeit mit der Bibliothek geladen. Der Verein arbeitet nach Angaben der regionalen Koordinatorin Marlis Lemke derzeit daran, dass auch in Seniorenheimen vorgelesen wird.
Zurück im Workshop: Die Rentner tauschen Vorlese-Tricks aus. Eine Frau bringt immer eine Handpuppe mit. „Das ist das Größte für die Kinder, wenn ich den Fuchs dabei habe.“ Ihr gegenüber sitzt ein Mann – der einzige weit und breit. Warum er Lesepate geworden ist? „Ich hab schon mit 14 Jahren einen Preis beim Vorlesen gewonnen“, sagt Michael Gillitzer stolz.
Am heutigen Freitag werden zum bundesweiten Vorlesetag in zahlreichen Städten wieder jede Menge Bücher hervorgeholt. Auch einige der Rentner aus dem Workshop machen mit. Der Vorlesetag findet zum inzwischen zwölften Mal statt und ist eine Initiative der Wochenzeitung „Die Zeit“, der Stiftung Lesen sowie der Deutsche Bahn Stiftung.
Laut Organisatoren schlagen auch viele Promis und Politiker das Buch am Freitag in Schulen zum Vorlesen auf. In Berlin sind es etwa Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), die Schauspielerin Veronica Ferres und die Designerin Jette Joop. Anna Ringle/dpa
Anna Ringle, dpa
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