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Gibt den Ton an. Jürgen Motog arbeitet als Klangtherapeut im Caputher „Haus der Klänge“.

© Björn Stelley

Potsdam-Mittelmark: Massage für die Ohren

Im Caputher Haus der Klänge kümmert sich Jürgen Motog um das Hörvermögen

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Schwielowsee - An den Wänden und der Decke hängen Musikinstrumente, die aussehen, als ob sie Tolkiens Fantasy-Epos „Herr der Ringe“ entsprungen sind. Doch keine Hobbits spielen auf den außerirdisch anmutenden Flöten, Geigen und Trommeln, sondern Jürgen Motog. Es sieht nicht nur so aus, sondern hört sich vor allem so an, als ob er nie etwas anderes gespielt hat, als zum Beispiel die Nyckelharpa. Zwar müsste die Schlüsselfiedel, so der deutsche Name des ursprünglich schwedischen und mit Tasten aufgemotzten Streichinstruments, mit einem Bogen gespielt werden. Doch Jürgen Motog hat gerade keinen zur Hand und zupft versiert an den Saiten.

In seinem „Haus der Klänge“ in Caputh geht er Tönen und ihrer Klangfarbe auf den Grund. „Seit meiner Kindheit bin ich von Klängen und Tönen und allem, was mit Musik zu tun hat, fasziniert“, sagt Motog. Schnell erkannten die Eltern den Faible des Sohnes. Posaunenchor und Orgelunterricht waren die musikalische Konsequenz. Vor zwölf Jahren kam der Bremer nach Caputh, lehrt in Caputh an einer Grundschule, natürlich auch Musik.

Studiert hat er in den 1980er-Jahren Kirchen- und Alte Musik. Später begann er eine Ausbildung zum Klangmusiktherapeuten. „Die Idee kam mir auf einer Reise in Skandinavien“, erinnert sich Motog, der gerne mit dem Kajak durch nordische Fjorde paddelt. „Ich biete Therapien für Kinder an, die Sprachstörungen haben“, so Motog. „Zu mir kommen aber auch Erwachsene, die einen Hörsturz erlitten haben oder Sänger, die nicht mehr intonationssicher sind.“

Motogs Therapien orientieren sich unter anderem an den Lehren des französischen Hals-Nasen-Ohren-Arztes Alfred Tomatis. Er entwickelte eine sogenannte Hörkur, bei der Klänge auf bestimmte Weise aufbereitet werden und durch Weglassen oder Hinzufügen von Frequenzen das Hörvermögen trainiert werden soll. Für diese Methode werden spezielle Kopfhörer eingesetzt, die den Ton auch mittels Bügel über den Schädelknochen und die Haut übertragen sollen.

Durch den manipulierten Klang soll die Akustik während der Schwangerschaft simuliert werden. „Das weckt in den Patienten ein Urvertrauen und Geborgenheit“, sagt Motog. Bei Erwachsenen könne sich daraufhin das Traumleben verändern. „Manche haben plötzlich den Drang zu malen oder sich anderweitig kreativ zu entfalten.“

In der Schulmedizin wird die alternative Behandlungsmethode, zu der die Tomatis-Methode zählt, überwiegend abgelehnt. Zu wenige aussagekräftige Untersuchungen stützten die therapeutische Wirkung dieser Klangtherapie. Zu diesem Schluss kommt die Gesellschaft für Neuropädiatrie (Kinderneurologie) und der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde. Jürgen Motog hat freilich andere Erfahrungen gemacht und berichtet von einem vierjährigen Mädchen, das nicht spielte. „Es hatte schon leicht autistische Züge“, sagt er. „Ob zu Hause oder im Kindergarten, sie nahm immer die Rolle der Beobachterin ein.“ Nach einigen Klangsitzungen schien sich das Problem zu lösen. „Die Großmutter wunderte sich, da ihre Enkelin wie ausgewechselt war“, sagt Motog.

Bei der Klangtherapie wird vor allem klassische Musik eingesetzt, insbesondere Mozart. „Klassische Musik orientiert sich ganz stark an sprachlichen Strukturen.“ So gebe es musikalische Fragen und Antworten oder auch Ausrufe. „Gerade bei Kindern mit Sprachstörungen funktioniert diese Musik.“ In den USA habe es in den 1990er-Jahren eine Universitätsstudie gegeben, die gezeigt habe, dass Mozarts Musik das räumliche Vorstellungsvermögen verbessere. „Das ging damals als der Mozart-Effekt durch die Medien“, erinnert sich Motog.

Im Haus der Klänge kann Jürgen Motog auch rein physisch auf Probleme bei der akustischen Wahrnehmung eingehen. „Der Mensch kann nur wiedergeben, was er hört“, erklärt der Klangtherapeut. „Wenn ein Musiker einen bestimmten Ton nicht mehr trifft, kann es daran liegen, dass er ihn nicht richtig hört.“ Das Trommelfell hänge an zwei kleinen Muskeln und sei hochempfindlich. „Die Therapie mit Klängen ist dann wie eine Massage für die Ohren.“

Motogs „Haus der Klänge“ macht dem Namen alle Ehre. Denn die zahlreichen Musikinstrumente können auch gespielt werden. Wenn es sich ergibt, so Motog, kommen sie auch bei den Therapien zum Einsatz.Björn Stelley

Björn Stelley

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