zum Hauptinhalt
Die enge Potsdamer Straße ist die wichtigste Nord-Süd-Verbindung in Werder. Radwege gibt es auf ihr nicht. Mit den Autos stehen auch die Stadtbusse immer wieder im Stau oder müssen hinter Radfahrern herfahren.

© Enrico Bellin

Studie über den Verkehr in Potsdam-Mittelmark: Mehr Autos, kürzere Wege

Der Landkreis Potsdam-Mittelmark will messen, wie sich seine Verkehrspolitik auswirkt. Dazu gibt es erstmals eine Studie. Ein Überblick.

Von Enrico Bellin

Stand:

Der Landkreis Potsdam-Mittelmark hat zum ersten Mal das Verkehrsverhalten seiner Einwohner detailliert untersuchen lassen. Im Auftrag des Kreises befragte die Technische Universität (TU) Dresden im Jahr 2013 insgesamt 2 100 Mittelmärker zu ihrem Verkehrsverhalten, sowohl am Telefon als auch über Internet-Fragebögen. Die Ergebnisse sind seit kurzem einsehbar. Die TU Dresden führt solche Befragungen seit 1972 durch. Der Landkreis will die Studie regelmäßig wiederholen, um den Erfolg von Maßnahmen, wie eine bessere Nahverkehrsanbindung nach Potsdam, messen zu können. Untersucht wurde das Mobilitätsverhalten in den drei Regionen Teltow -Kleinmachnow-Stahnsdorf, Werder (Havel)-Schwielowsee und Michendorf-Nuthetal-Beelitz-Seddiner See. Die Ergebnisse im Überblick: 

Fahrzeuge im Haushalt

Grundsätzlich besitzen im Landkreis deutlich mehr Haushalte ein Auto, als deutschlandweit üblich ist. Beim statistischen Bundesamt erfasst sind die Haushalte, die kein eigenes Auto besitzen. Das sind bundesweit 23 Prozent. Im Landkreis sind die wenigsten Autos in der Teltower Region zu finden, 19 Prozent der Haushalte sind dort autofrei. In Werder und Schwielowsee liegt diese Zahl bei 16 Prozent, in Michendorf und seinen Nachbarorten haben nur elf Prozent der Haushalte kein Auto. In allen drei Regionen hat die Mehrheit der Haushalte mit Kindern sogar mindestens zwei Autos, auch hier liegt die Region Michendorf mit 64 Prozent an der Spitze. Während die Mittelmärker also deutlich mehr Autos als üblich besitzen, ist die Zahl der Fahrräder unterdurchschnittlich: Laut dem jüngsten bundesweiten Fahrradmonitor besitzen die Deutschen 2,4 Fahrräder pro Haushalt. In Teltow und Michendorf liegt die Zahl hingegen nur bei 1,9 Rädern, in der Werderaner Region gar nur bei 1,7.

Verkehrsmittelwahl

Laut der Studie „Mobilität in Deutschland“ des Bundesverkehrsministeriums von 2008 – neuere Zahlen werden derzeit erst erhoben – werden bundesweit 58 Prozent der Wege mit dem Auto erledigt. In den mittelmärkischen Regionen schwankt der Anteil zwischen 55 und 57 Prozent. Wie im Bundesschnitt sitzen dabei in Teltow und Michendorf 1,3 Menschen in jedem Auto, in Werder 1,4. Große Abweichungen gibt es jedoch bei der Nutzung des Nahverkehrs: Bundesweit wird nicht einmal jeder zehnte Weg mit Bus und Bahn zurückgelegt. In Michendorf sind es hingegen 13, in Teltow 14 und in Werder sogar 17 Prozent der Wege. Dafür werden in Werder nur sieben Prozent der Wege mit dem Rad zurückgelegt, bundesweit sind es zehn Prozent. Michendorf und Teltow liegen bei der Radnutzung mit 11 und 13 Prozent über dem Bundesniveau. Im Landkreis wird dagegen generell weniger gelaufen als im Bundesdurchschnitt: Statt 24 Prozent aller Wege werden nur 17 bis 21 Prozent der Wege zu Fuß zurückgelegt.

Wege im Alltag

Die Mittelmärker legen grundsätzlich etwas kürzere Strecken zurück als der Durchschnittsdeutsche, dessen Wege im Schnitt 11,5 Kilometer lang sind. Die Werderaner sind mit 11,1 Kilometern noch am weitesten unterwegs, die Michendorfer legen genau zehn Kilometer zurück und die Teltower sogar nur 7,9 Kilometer. Dementsprechend verbringen sie auch weniger Zeit im Verkehr, 75 bis 78 Minuten täglich. Deutschlandweit sind es 88 Minuten. Mit 30 Prozent machen Wege zum Einkauf und private Erledigungen die größte Gruppe der Fahrtengründe aus. Etwa jeder fünfte Weg im Kreis führt zur Arbeitsstelle, genauso viele dienen der Freizeitgestaltung.

Geteilte Mobilität

Kaum eine Rolle im Landkreis wie im Bund spielen bisher Carsharing und Leihräder. In Teltow und Michendorf liegt der Anteil der geteilten Autos bei einem Prozent, bundesweit bei 1,1 Prozent. In Werder gibt es gar keine Nutzer von Carsharing. Etwas besser angenommen werden Leihräder. In Michendorf treten zwei Prozent der Befragten gelegentlich in geliehene Pedalen, in Werder drei und in Teltow sogar vier Prozent.

Was die Ergebnisse bedeuten

Wie der Landkreis mit den Ergebnissen umgehen wird, ist noch unklar. Die zuständigen Mitarbeiter der Verkehrsbehörde sind derzeit in Urlaub, laut Kreissprecherin Andrea Metzler kennen weder der Landrat noch sein Stellvertreter das Resultat der Bürgerbefragung bisher im Detail. Auffällig an den Ergebnissen ist jedoch, dass in Werder und Schwielowsee prozentual mehr Wege mit Bus und Bahn zurückgelegt werden, als in der Teltower Region. Dabei war im Jahr 2010 extra das Busnetz in Teltow, Kleinmachnow und Stahnsdorf aufeinander und auf die S-Bahn in Teltow abgestimmt worden. 780 000 Euro zahlen die drei Kommunen und der Kreis dafür jährlich. Zudem fährt ab Teltow alle zehn Minuten eine S-Bahn nach Berlin, ab Werder gibt es einen Halbstundentakt mit Regionalzügen. Die Blütenstadt fordert seit Jahren vom Kreis ein abgestimmtes Buskonzept, derzeit wird es erstellt. Ein Grund, warum in der Teltower Region weniger mit Bus und Bahn gefahren wird, könnte der fehlende Schienenanschluss von Kleinmachnow und Stahnsdorf sein.

Auch ist überraschend, dass in Werder und Schwielowsee selbst auf kurzen Wegen bis drei Kilometer deutlich weniger geradelt wird. Während in der Teltower Region 25 Prozent der Wege dieser Länge mit dem Rad zurückgelegt werden, sind es in der Werderaner Region nur 14 Prozent. Ein Grund dafür könnte ein fehlender Radweg entlang der engen und stark befahrenen Potsdamer Straße sein, der wichtigsten Nord-Süd-Verbindung in Werder.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })