Potsdam-Mittelmark: Mehr Freude und weniger Stress
„Starke Eltern – starke Kinder“: Ein erfolgreicher Kurs bald auch in Werder
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Kleinmachnow / Werder - Manchmal fehlt zum guten Willen ein bisschen Verständnis. So war es mit dem vierjährigen Lukas*, der immer losheulte, wenn Mama ihn morgens im Kindergarten ließ. Sie hatte einfach vergessen zu sagen, dass sie am Nachmittag zurückkommt, um ihn abzuholen. Woher soll das ein von Trennungsängsten geplagter, zurückgelassener Vierjähriger wissen? „Vielleicht gibt es ja auch noch eine kleine Tasche mit Küssen drin, die man dem Kind dalassen kann“, hat Alexandra Fresenborg mit einer Kursteilnehmerin überlegt. Dann ging es besser mit dem Abschied.
Fresenborg ist Diplompsychologin und leitet seit zwei Jahren den vom Kinderschutzbund zertifizierten Kurs „Starke Eltern – Starke Kinder“ an der Kreisvolkshochschule in Kleinmachnow. Aufgrund des Erfolges soll er ab April auch in Werder (Havel) angeboten werden. Wer den „Elternführerschein“ erlangen will, der kann heute auf eine ganze Bandbreite von Techniken – ob „kess-erziehen“, „Systematisches Elterntraining“ oder „Triple P“ – zurückgreifen. Fresenborg – selbst Mutter von neunjährigen Zwillingen – favorisiert die Variante des Kinderschutzbundes, der Müttern und Vätern „mehr Freude und weniger Stress mit ihren Kindern“ verspricht. Mit „Starke Eltern – Starke Kinder“ seien in erster Linie „ganz normale Familien“ angesprochen, die den Alltag besser bewältigen, Sicherheit bei der Erziehung gewinnen wollen, sagt Fresenborg. Das Elterntraining geht auf Konzeptionen u.a. von Carl Rogers und Thomas Gordon zurück.
Es wird seit dem Jahr 2000 angeboten. Die Bundesgeschäftsführerin des Kinderschutzbundes, Paula Honkanen-Schoberth, hat es aus ihrer finnischen Heimat mitgebracht. Anfangs war der Kurs Begleitprogramm des Bundesfamilienministeriums, als vor acht Jahren das neue Kinderschutzrecht eingeführt wurde: Kinder haben seitdem einen Anspruch auf gewaltfreie Erziehung – körperliche und seelische Verletzungen sind untersagt (§ 1631 BGB). „Das Familienministerium sagte, wenn wir die Ohrfeige verbieten, dann müssen wir Alternativen aufzeigen“, erinnert sich Honkanen-Schoberth. In den drei Jahren, in denen der Kurs vom Bund gefördert wurde, fand er deutschlandweit Verbreitung. 7800 Kursleiter seien in den vergangenen acht Jahren ausgebildet worden.
In Kleinmachnow hat sich „Starke Eltern – Starke Kinder“ durch Mundpropaganda nach vorsichtigem Start schnell rumgesprochen, sagt Alexandra Fresenborg. Jeweils zwölf Kursteilnehmer nehmen an den zwölf anderthalbstündigen Abendterminen pro Semester teil. Was also tun in der Trotzphase im dritten und vierten Lebensjahr, von der alle Eltern berichten können? Wenn sich die Tochter bei Rewe auf den Fußboden wirft, weil sie den gewünschten Kaugummi nicht bekommt? „Innerlich ruhig bleiben, genau hinschauen, gewaltfrei Grenzen setzen“, sagt Alexandra Fresenborg ihren Kursteilnehmern.
„Es nutzt nichts, dem Kind zu erklären, dass es ungezogen ist. Nicht das Kind sollte man ablehnen, sondern die Verhaltensweise.“ Noch besser: dem Kind vorher bewusst machen, das die Fahrt zum Supermarkt geht, dem Tagesabschnitt eine Überschrift geben, das Kind einbeziehen und vielleicht ein Joghurt aussuchen lassen. Solche Situationen werden in dem Kurs in Rollenspielen immer wieder trainiert und verinnerlicht.
„Die Eltern kommen neugierig und gehen nachdenklich“, sagt Fresenborg. Nach dem Training können sie besser unterscheiden, welche Erziehungsmaßnahmen zur physischen und psychischen Gewalt zählen und die Integrität des Kindes verletzen. Sie verlieren durch den Erfahrungsaustausch auch die Scheu, Hilfe in Anspruch zu nehmen, meint die Psychologin. Denn die Probleme ähneln sich – weltweit. „Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind zu erziehen“, zitiert Fresenborg eine afrikanische Weisheit.
(*Name geändert)
Henry Klix
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