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Arbeiten und spielen. Der Verein Rockzipfel will demnächst in Glindow ein Eltern-Kind-Büro eröffnen. Junge Eltern sollen dort arbeiten können, während es vor Ort auch eine Betreuung fürs Kind gibt. Mit dem Konzept ist der Verein in Potsdam bereits erfolgreich.

© Eva Schmid

Potsdam-Mittelmark: Mehr Spielraum

In Glindow eröffnet der Verein Rockzipfel in wenigen Wochen sein zweites Eltern-Kind-Büro

Von Eva Schmid

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Werder (Havel) - Es duftet nach frisch gebackenem Apfelkuchen und Kaffee. Grit Hübener kommt mit einem dampfenden Kuchenblech auf die kleine Terrasse. In dem großen Garten davor springen drei, vier Kinder unter alten knorrigen Nadelbäumen umher. Was aussieht wie ein Kaffeekränzchen von Müttern, ist eigentlich ein Arbeitstreffen. Oder besser gesagt: eine kurze Pause im Alltag eines Eltern-Kind-Büros.

Allein schon das Wort Eltern-Kind-Büro lässt viele berufstätige Eltern mit kleinen Kindern aufhorchen. Konzentriert arbeiten und das eigene Kind springt gleichzeitig um einen herum – das ist schwer vorstellbar. Für die 43 Jahre alte Grit Hübener, Chefin von Rockzipfel, ist das der Alltag, seitdem ihre Tochter vor rund drei Jahren auf die Welt gekommen ist. Die freiberufliche Autorin ist alleinerziehend, ihren Laptop kann sie überall schnell aufklappen. Immer nur nachts arbeiten, das merkte sie nach der Geburt ihres Kindes schnell, das wollte sie nicht. Gleichzeitig sah sie aber auch nicht ein, Hannah-Lene mit einem Jahr in die Krippe zu bringen. Zu wertvoll seien ihr die frühen Jahre der Tochter, um sich nur wenige Stunden am Tag zu sehen. Die Idee des Eltern-Kind-Büros war geboren.

Die wenigsten Eltern, meist sind es Mütter, die bisher in das vor zwei Jahren gegründete Potsdamer Büro in Babelsberg kommen, sind selbständig wie Hübener. „Ich hatte hier schon mal eine Chirurgin, die während ihrer Elternzeit an einer Studie gearbeitet hat.“ Immer wieder würden Doktoranden oder Forscher aus Potsdamer Instituten kommen, die im Eltern-Kind-Büro besser arbeiten können als zu Hause.

Warum das so ist, sieht man auch am neuen Ableger in Glindow. Laut Grit Hübener ist es das Konzept, das hinter dem Angebot steht und aufgeht. „Man sagt, es braucht ein Dorf, um ein Kind großzuziehen – und ein bisschen so ist es hier auch.“ Die Eltern sind zwar immer für ihre Kinder verantwortlich, jedoch gibt es immer einen Betreuer, der sich um das Wohl der Kleinen kümmert. An diesem Nachmittag, als die drei Mütter in Glindow eine Pause einlegen, sieht man die Kinder gemeinsam im großen Garten spielen. Sie schauen, noch rufen sie nach ihren Müttern. Ab und an springt eines der Kinder auf die Veranda, um etwas Gefundenes zu zeigen, dann geht es schon wieder auf eigene Faust los. Die Eltern haben Zeit für sich, ein kostbares Gut. „Es geht nicht immer nur ums Arbeiten, man muss auch Emails schreiben oder online etwas bestellen“, sagt eine der Frauen. Das brauche Zeit.

Sie ist Produktdesignerin und mit ihrer Tochter von Anfang an bei Rockzipfel dabei. Stundenlanges konzentriertes Arbeiten sei bei ihr nicht möglich gewesen, ihre Tochter einfach oft zu anhänglich, erzählt sie. Aber viele eher einfachere, zum Teil trotzdem zeitaufwendige Arbeiten habe sie ohne Probleme im Eltern-Kind-Büro erledigen können. Das habe ihr weitergeholfen. Wenn sie demnächst wieder in Elternzeit geht mit ihrem zweiten Kind, will sie sich wieder einen Platz mieten. Dieses Mal in Glindow, denn hier gibt es den schönen großen Garten, den es in Potsdam nicht gibt.

Pro Monat zahlt man für einen Arbeitsplatz im Eltern-Kind-Büro 160 Euro. „Das ist von der Summe her an die sogenannte Herdprämie, die ja wieder abgeschafft ist, angelehnt“, sagt Hübener. Die Rockzipfel-Chefin will Familien eine Wahlmöglichkeit bieten, es müsse nicht immer die Kita-Betreuung sein. Im Umkehrschluss bedeute das aber auch nicht, dass ein Elternteil während der Elternzeit nichts für sich machen kann. Bis zu 22 Stunden könne man in der Woche sein Kind betreuen lassen, während man selbst arbeitet. Man könne in das Angebot flexibel einsteigen, so Grit Hübener. Zudem bekommen die Eltern einen Schlüssel. Wer will, kann die Räume auch am Wochenende nutzen – dann aber ohne Betreuung.

Sechs Arbeitsplätze kann der Verein in Glindow anbieten, in Potsdam sind es drei. Die Räume in beiden Büros sind liebevoll eingerichtet, für die Eltern gibt es einen Schreibtisch, eine Küche zum Kaffee kochen, für die Kinder viele Spielsachen – räumlich sind Arbeits- und Spielbereich getrennt. Die Tür fällt hinter den Kindern aber nie zu. Arbeiten und Kinderlärm im Hintergrund, das muss man schon aushalten können. „Wir arbeiten bei der Betreuung der Kinder nach dem Emmi-Pikler-Ansatz, da kommt es gar nicht so weit, dass es hier richtig laut ist“, sagt Hübener. Die Kinder würden ähnlich wie in der Montessori-Pädagogik angeregt, selbst tätig zu werden: „Und können dann sehr lange im Spiel vertieft sein.“

Kinder werden frühestens mit einem halben Jahr bei Rockzipfel aufgenommen, meist würden sie bis kurz vor dem zweiten Geburtstag bleiben. Für viele Eltern sei das Eltern-Kind-Büro auch eine gute Überbrückung, bis es mit dem Kitaplatz endlich klappt. Hübener hofft, dass der Start ihres Projektes auch in Glindow gut verläuft. Wie in Potsdam seien auch in Werder die freien Kitaplätze knapp. Hübener plant in Glindow unter anderem eine Zusammenarbeit mit dem Keramikhof im Ort.

Im Oktober bietet Rockzipfel Schnupperwochen an. Infos unter www.rockzipfel-potsdam.de

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