Werder (Havel) auf der Grünen Woche: Mehr Werder auf den Tisch
Der Absatz von regionalen Produkten steigt stetig, wie beim Besuch der Grünen Woche klar wird. Die Bauern haben ihre Nischen gefunden, müssen sie aber offensiver vermarkten.
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Es sind genau 30 Minuten Fußmarsch vom S-Bahnhof Westkreuz nach Werder. Die Stände der Blütenstadt sind das erste, was Besucher in der Brandenburghalle der Grünen Woche zu sehen bekommen. Eine Hand voll Stände nebeneinander bilden eine kleine Werderstraße, vom Weinverein über den Tannenhof bis hin zu Werder Frucht. Keine Brandenburger Region ist auf der Messe unterm Funkturm stärker vertreten als das Mittelzentrum Werder/Beelitz.
Obstbauer Heiko Wels aus Glindow betreut am Mittwoch den Stand des Obst- und Gartenbauvereins. Auf der Grünen Woche mache der Verein hauptsächlich Werbung für die Baumblüte – das neuntägige Volksfest zählt zu den größten Umsatzbringern der Bauern. „Es gibt immer noch viele Menschen, die nur das Halli Galli in der Innenstadt kennen und nicht wissen, dass man bei uns in Ruhe unter blühenden Bäumen sitzen kann“, so Wels.
Zudem werde auch Werbung für den Werderaner Frischemarkt gemacht, auf dem die Bauern das ganze Jahr über ihre Produkte anbieten. „Der Absatz der regionalen Produkte hat sich in den vergangenen Jahren allgemein verbessert“, so der Obstbauer. Die Erzeuger werben seit Jahren mit der Frische der Produkte, was inzwischen fruchte. Zudem haben viele eine Nische für sich gefunden. Wels beispielsweise lässt seine Äpfel in der Werderaner Lohnmosterei zu Saft pressen, der sonst regional produziert kaum noch angeboten wird.
Die neue Whisky-Welt in Glindow
Seine Nische hat auch Schultzens Siedlerhof gefunden: Gin und Whisky. „Wir sind derzeit dabei, unsere Whisky-Welt fertig zu bauen“, so Günter Schultz, der den Familienbetrieb in Glindow, der als reines Obstbauunternehmen anfing, seit 25 Jahren leitet. Im April soll die Anlage fertig sein, dann können Besucher auf dem Hof den Weg des Whiskys vom Getreidesilo in die Flasche nachvollziehen.
Auch die Vermarktung laufe immer besser: Mit Edeka in Werder biete schon eine Kette den Getreidebrand an, auch der Betreiber des Caputher Rewe-Marktes wolle den Whisky in Kürze ins Sortiment nehmen. Selbst Restaurants in Potsdam wie „Der Butt“ haben Glindower Whisky auf der Karte. „Inzwischen müssen wir nicht mehr zu den Händlern und Gastronomen, die kommen zu uns“, so Schultz. Auch habe der Dienstleister pro agro auf der Grünen Woche schon mehrere Gruppen von Händlern und Gastronomen zu den Ständen geführt. „Da gab es mehrere Interessenten, die uns demnächst auf dem Hof besuchen wollen, um das gesamte Angebot kennenzulernen“, so Schulz.
Mehr Anfragen als Plätze
„Wir haben das erste Mal einen Rundgang mit 90 Gastronomen gemacht, es gab mehr Anfragen als Plätze“, sagt Kristin Mäurer, Fachbereichsleiterin bei pro agro. Die Fachbesucher kommen bereits um 9 Uhr, eine Stunde vor dem Einlass. So können sie erst in Ruhe mit den Produzenten reden und im Laufe des Tages sehen, wie potentielle Kunden die Produkte bewerten. Die Nachfrage nach regionalen Produkten sei ungebrochen. Einige Erzeuger müssten aber noch lernen, zu ihren regionalen Produkten auch Geschichten anzubieten, die dann etwa auf die Speisekarten von Restaurants gedruckt werden können. „Der Stolz auf das eigene Produkt ist bei uns noch nicht so groß wie etwa in Bayern“, so Mäurer.
Zudem müsse man sich auch neue Wege überlegen, wie man die Produkte zum Kunden bringt. So leite pro agro derzeit Verhandlungen mit dem Betreiber der Marheineke Markthalle in Berlin Kreuzberg, um dort täglich einen Gemeinschaftsstand von fünf bis sieben märkischen Unternehmen betreiben zu können. Das genaue Konzept soll im März stehen. „Damit sollen auch kleinere Unternehmen, die oft nur drei Mitarbeiter haben, die Chance auf ein großes Publikum bekommen“, so die Fachbereichsleiterin. Täglich müsste nur eine der Firmen, die ihre Produkte anbieten, einen Mitarbeiter schicken, der dann alles verkauft. Gespräche liefen derzeit etwa mit Frank Freiberg, der in Ferch Liköre und Marmeladen produziert – und natürlich mit den großen Anbietern wie Christine Berger aus Petzow oder der Beelitzer Feinkostfirma Syring.
Die Weihnachtsbäume recycled
Der Mix aus großen und kleinen Anbietern ist es auch, der für viele Besucher den Charme der Brandenburghalle ausmacht. „Hier kann man jedes Jahr sehen, was die Betriebe auch aus der Region anbieten, das man selbst nicht kennt“, sagt Besucherin Elke Kerber aus Kloster Lehnin. Mit ihren Freundinnen probiert sie am Stand des Werderaner Tannenhofes gerade den Likör aus dem Nadelbaum. „Irgendwie müssen wir die übrig gebliebenen Weihnachtsbäume ja recyceln“, scherzt Hofleiter Gerald Mai. In Wirklichkeit wird der Likör im Frühjahr aus den frischen Tannentrieben hergestellt, er hat einen kräftig-erdigen Waldgeschmack. Und beruhigt in der kalten Jahreszeit das Gewissen des Genießers: „Der Likör hat die gleichen ätherischen Öle wie Hustensaft“, so Gerald Mai. Pure Medizin also.
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