Potsdam-Mittelmark: Meister der Knöpfe
Der Kleinmachnower Christian Handke beherrscht das Akkordeon, wie kaum ein anderer in Deutschland
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Der Kleinmachnower Christian Handke beherrscht das Akkordeon, wie kaum ein anderer in Deutschland Von Peter Könnicke Kleinmachnow - Schon die Anschrift klingt nach einer Verpflichtung. Beethovenstraße. Doch das Straßenschild vor seiner Haustür war es nicht, was Christian Handke inspirierte, Musik zu machen. Zumal sich ihm im Alter von fünf Jahren der Schriftzug noch nicht erschlossen haben dürfte. Es war viel mehr das Akkordeonspiel der Kindergarten-Tante, das den Jungen hellhörig werden ließ. Als die Großmutter dann noch zufällig eine Ziehharmonika nach Hause brachte, war das der Beginn einer erfolgreichen Auseinandersetzung mit Noten und Tasten. Vor ein paar Tagen hat sich Christian Handke vor der Jury des Bundesfinale „Jugend musiziert“ verneigt. Zuvor hat er 20 Minuten „mit hervorragendem Erfolg“ auf dem Akkordeon gespielt. Mit diesem Prädikat werden die Sieger des Bundes-Wettbewerbs gekürt. Um den Titel haben sich immerhin 82 Akkordeonspieler beworben, zuvor waren es bei Landesausscheiden 251. Und davor waren es in den verschiedensten Regionen Deutschlands 806 Akkordeonisten, die virtuos die Knöpfe und Tasten ihres Instruments bedienten. Christian Handke kennt das Gefühl des Sieges. Es war sein viertes Bundesfinale. Zweimal gewann er den 1. Preis, einmal wurde er Zweiter, einmal Dritter. Das zählt der 19-Jährige ziemlich unaufgeregt auf. So wie er es schildert, klingt es nur konsequent, dass man nach 14 Jahren Musikschule und fast täglichem Üben so gut auf dem Akkordeon spielen kann wie fast kein anderer in Deutschland. Druck hat er dabei nie verspürt. Seine Eltern haben nie den falschen Ehrgeiz entwickelt, den Sohn zur permanenten Pflege seines Talents zu zwingen. Einzig das weihnachtliche Musizieren mit dem älteren Bruder, der Gitarre spielt, wurde zum Pflichtprogramm. Anderthalb Stunden pro Woche nahm Christian Handke an der Kleinmachnower Musikschule Unterricht, der Rest war Hausarbeit. Neuen Freunden gegenüber hatte es Handke mitunter schwer zu erklären, dass er Akkordeon spielt. Es klingt ja auch recht volkstümlich im Vergleich zu der jugendlichen Popkultur, in der Anastacia oder Eamon den Ton angeben. „Aber gute Freunde hören auch zu“, verknüpft Handke eine Lebensweisheit mit dem ganz praktischen Vorspielen seiner musikalischen Fähigkeiten. Und wer ihn dabei zuhört, verabschiedet sich schnell vom Vorurteil, Akkordeonmusik wären nur fröhliche oder melancholische Seemannslieder. „Das ist viel zu einfach“, schüttelt Handke den Kopf. Auch Rock und Pop hält er für unpassend. Auf den fast 200 Knöpfen seines Akkordeons beherrscht Handke das Repertoire klassischer Musik, das andere am Klavier spielen. Auch Tango und Walzer spielt er sehr gern. Der Gedanke, Berufsmusiker zu werden, kam nie auf. „Ich habe immer nur fürs nächste Ziel geübt“, meint Handke. Meist waren das Konzerte der Musikschule. Einmal hat er die Aufführung des Weinberg-Theaters mit einem Tango begleitet. Bei seiner Zurückhaltung überrascht es nicht, wenn Handke sagt, er lege es nicht unbedingt darauf an, vor Publikum zu spielen. Aber es habe viel Spaß gemacht, als er während seines Zivildienstes im Augustinum einmal das Restaurant „Hoffmann“ mit Walzer- und Tangoklängen erfüllte. Dass die Senioren sich mehr aufs Essen als auf seine Musik konzentriert haben, hat ihm nichts ausgemacht. Vielleicht hat der 19-Jährige seine Ausgeglichenheit durch die Musik. Jedenfalls meint er, dass Musik ausgeglichen macht. Christian Handke nutzt sein Instrument als Ventil. Gibt es Stress, greift er zum Akkordeon. In der Abi-Vorbereitung hat er viel musiziert. Er spielt dann, was ihm gerade einfällt. „Eigenkompositionen gibt es allerdings nicht“, winkt er ab, „zumindest keine aufgeschriebenen.“ Das Bundesfinale im Juni war das letzte, an dem Christian Handke teilnahm. Mit 19 Jahren zählte er zum letzten Mal zur musizierenden Jugend. Wenn im kommenden Jahr die besten Nachwuchsmusikanten gesucht werden, hängt Handkes Akkordeon vielleicht am Haken einer Studentenbude in Dresden oder München. „Ich will Finanz- und Wirtschaftsmathematik studieren“, sagt er. Bei der Frage nach einem Studium der Kunst oder Musik winkt er ab. „Kunst und Kultur wird zu wenig gefördert.“ Als Hobby werde er weiter Akkordeon spielen, „wenn sich was findet, vielleicht in einem Ensemble“. Ein Ensemble wartet bereits auf ihn – wenn auch nur für einen Auftritt. Im September wird er mit dem Staatsorchester in Frankfurt/Oder auftreten. Drei Tage lang wird für das Konzert geprobt. Aufregung macht sich breit: „Es war früher mein großer Traum, mit einem großen Orchester zu spielen. Schön, dass es jetzt zum Schluss geklappt hat.“
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