Potsdam-Mittelmark: Melange aus Souveränität und dienstbarer Darbietung
Roman Trekel gab in Beelitz Schuberts „Schöne Müllerin“
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Roman Trekel gab in Beelitz Schuberts „Schöne Müllerin“ Von Gerold Paul Beelitz. Egal, ob man der „Schönen Müllerin“ zum ersten oder jüngsten Male begegnet, ein Wunder an romantischem Geist und belebender Poesie sind diese zwanzig von Franz Schubert vertonten „Müllerlieder“ immer – wenn nur ihre Aufführung auch gelingt. In Beelitz konnte man sich letzten Sonntag besonders über die Darbietung dieses Schubert''schen Opus 25 freuen. Denn kein Geringerer als der weltgereiste Kammersänger Roman Trekel betrat die kleine Bühne des Tiedemann-Hauses. Ihm zur Seite, am gelegentlich etwas klirrenden Flügel, Oliver Pohl, welchen man dem einheimischen Konzertpublikum wohl nicht weiter vorstellen muss. Um es gleich vorweg zu sagen: War die „Spargelperle“ auch nur knapp zur Hälfte gefüllt, so konnte sich das Künstler-Duo nach einer phantastischen Leistung über sieben „Vorhänge“, und, stilvoll wie immer, über prächtige Blumensträuße freuen. Hochverdient. Vielleicht ist es ausgleichende Gerechtigkeit, wenn dem weithin unbekannten Lyriker Wilhelm Müller alias Griechen-Müller (1794-1827) durch den frühreifen und mit 31 Jahren verstorbenen Wiener Komponisten Franz Schubert (1797-1828) Genugtuung wurde. Beide lebten datumsgleich, beide waren eines Geistes, und beide im öffentlichen Raum zu Lebzeiten relativ erfolglos. So ehrte einer den unbekannten anderen: Müller schrieb die Gedichtzyklen von der „Schönen Müllerin“ und die „Winterreise“, Schubert machte sie durch seine genialen Tondichtungen unsterblich. Ein Wanderer auf Erden war Müller, Schubert genauso, und auch die unbenannte Hauptfigur dieser so kunstvollen wie populären Komposition breitete dergestalt seine Seelenlandschaft vor dem Zuhörer aus: „Er“ kam als Gesell in eine Mühle, entflammte für die schönblonde Müllerin, welche er, in ganz überschäumenden Tönen, wohl auch gewann. Doch ach, ein Jäger schnappte sie weg, sie liebt ja das Grün. Aus war das Liebesidyll. Das Ende gleicht Goethes „Werther“ – die Liebe selbst hat den guten Gesellen erledigt. Vielleicht hat das trauernde Ich diese ganze Sache auch nur imaginiert? Franz Schubert erwähnte die Komposition erstmals 1823, entstanden aber ist sie in einem Spital beim Versuch, seine Syphilis zu heilen Natürlich kennt jeder den Eingangspart „Das Wandern ist des Müllers Lust“ und das hochfahrende „Dein ist mein Herz!“, aber noch lange nicht die Art, wie Roman Trekel diesen Zyklus in toto gab. Sein Bariton vereint Schönheit und Transparenz mit angemessener Elastizität, ohne den Blick für das Ganze zu verlieren. Er interpretierte nicht, er gab „Die schöne Müllerin“ wie ein Medium an den Raum weiter, anfangs noch etwas kühl, dann in wunderbarer Steigerung, ohne das Maß der Emotionen ins Sentimentale gleiten zu lassen – eine faszinierende Melange aus Souveränität und dienstbarer Darbietung. Er ist, mit allem Respekt, einem Dietrich Fischer-Dieskau ebenbürtig. Einziger Mangel, wie auch bei anderen Interpreten der Spitzenklasse vor Ort: Das dem Raum gelegentlich unangemessene Volumen. Oliver Pohl am Flügel mit sehr innigen, weichen, dann temperamentvollen, Schuberts kontrastierende Dur-Moll-Capricen geradezu auskostenden Schwüngen, eine eigenständige Stimme für sich. Beide zusammen, man kann es sich denken, gaben den Beelitzern nach der Regel vom Goldenen Schnitt eine Weltklasseleistung. Immer intensiver breitete sich das lyrische Empfinden des fahrenden Gesellen in samtenen Moll-Klängen aus, „Trockene Blumen“ (Nr. 18) erreichte den höchsten Ausdruck, „Gute Ruh, gute Ruh“ – das war das erschauernde Ende der Kunst. Phantastisch, diese Romantik!
Gerold Paul
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