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Potsdam-Mittelmark: Metamorphose am Baggersee

Die Tage des Güterfelder Kiestagebaus sind gezählt. Nun gibt es Pläne für Ferienpark mit Fabrikkulisse

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Die Tage des Güterfelder Kiestagebaus sind gezählt. Nun gibt es Pläne für Ferienpark mit Fabrikkulisse Von Peter Könnicke Stahnsdorf - Hinter den Rieselfeldern prägt seit Jahren die Skyline einer meterhohen Beton- und Mörtelanlage das Ortseingangsbild von Güterfelde. Mit einer Betonsteinanlage und einem Recycling-Unternehmen hat sich an der Großbeerenstraße ein Industriestandort manifestiert, dessen Ursprung ein Sandtagebau ist, der schon zu DDR-Zeiten existierte. Seit 1991 führt das aus der Nähe von Karlsruhe kommende Unternehmen Glaser die wirtschaftliche Regie an dem Standort. Doch nun zwingen Rezession in der Baustoffbranche und die versiegende Sandquelle zu neuen Überlegungen, wie das 24 Hektar große Areal zu nutzen ist. Bei der Frage nach der Zukunft des Standorts „hat der Verkauf Priorität“, so Jürgen Müller. Der Ingenieur des Erfurter Planungsbüros für Architektur und Baumanagement ist von der Firma Glaser beauftragt worden, Nutzungsalternativen zu entwickeln für den Industriestandort, dessen Jahre gezählt sind. 2008 laufen die letzten Pachtverträge für die angesiedelten Baustofffirmen aus. Doch bislang hält sich das Interesse für einen Kauf des Areals in Grenzen. „Es gibt zwar einen Interessenten“, weiß Müller, doch liege man bei den Preisvorstellungen zu weit auseinander. Unter dem Titel „Freizeit- und Campingpark“ hat Müller nun eine Idee skizziert, wonach um den Baggersee eine Siedlung mit Ferienhäusern, 100 Bungalows, Zelten sowie Stellplätzen für Wohnmobile und Caravans entstehen könnte. Die Transportbeton- und Mörtelanlage könnte mit einfachen Ergänzungen zu einer Freilichtbühne umgestaltet werden. Drei zusammenhängende Fabrikhallen – insgesamt 10000 Quadratmeter groß – könnten Sportfelder, ein Kinderland, Bühnen und einen Marktplatz beherbergen. Der Baggersee wird zum Badeparadies mit Südseestrand, Zementsilos und Förderbandanlagen zur Basis für Kletteranlagen und Bungee-Jumping-Plattformen, ein Sandsilo zum Aussichtsdeck eines Restaurants. Was nach einer neuen Definition von innovativ klingt und abenteuerlich erscheint, hält Müller für absolut realistisch. „Der Bestand ist so, dass man ihn weiterentwickeln kann.“ Auch die Rahmenbedingungen bewertet er positiv. Der Standort zwischen Berlin und Potsdam sei ideal, S-Bahnanschlüsse sind vorhanden und mit dem geplanten Ausbau der L40 würden die Besucher des Freizeitparks nicht durch den Ort fahren müssen. Angesprochen fühlen sollen sich Städtetouristen, Familien Messebesucher, Teilnehmer an Kongressen und Veranstaltungen sowie Berliner und Brandenburger, die hier ganzjährig einen Stellplatz für ihr Wohnmobil nutzen könnten. 20 Millionen Euro hat Müller als Investitionskosten kalkuliert. „Gut vorstellbar, dass Glaser das Projekt mit eigenen Mitteln finanziert“, so der Ingenieur. Lieber würde man jedoch mit einem Investor, der die Freizeitbranche kennt, ins Geschäft kommen. So konkret sich das ein oder andere Detail bereits anhören mag, Müller legt Wert darauf zu betonen, dass er bislang lediglich eine Projekt- und keine Machbarkeitsstudie erarbeitet hat. Die betriebswirtschaftliche Belastbarkeit ist noch in keinster Weise analysiert, für baurechtliche Notwendigkeiten sind keinerlei Schritte eingeleitet. Im Güterfelder Ortsbeirat will Müller heute die Idee überhaupt erstmals präsentieren, um ein Echo zu bekommen. „Wenn irgendetwas dagegen sprechen sollte, lassen wir es sofort sein“, kündigt er an. Auf Widerspruch muss er nicht lange warten. Denn Peter Ernst, SPD-Gemeindevertreter, Naturschutzbeauftragter und häufig eifriger Bedenkenträger bei Großbauvorhaben, hebt bereits mahnend den Zeigefinger: Die mit Schadstoffen belasteten Rieselfelder, von denen das Wasser direkt in den Baggersee fließt, schließe eine Nutzung als Badegewässer aus. Zudem befinde sich auf dem Areal eine Müllkippe, die zwar seit langem geschlossen ist, von der aber „Sickerreste garantiert in den See gelangen“. Müller geht mit den Vorbehalten offensiv um: „Bedenken und Zweifel sollten exakt dargestellt und besprochen werden.“ Doch Peter Ernsts Sorge räumt er aus. „Wir lassen seit mehreren Jahren die Wasserqualität untersuchen“, so Müller. Ergebnis: Der Baggersee habe Trinkwasserqualität, die auch durch die Rieselfelder nicht gefährdet werde. Auch die Mülldeponie sei bedenkenlos, da sie nur einen kleinen Teil des Areals ausmache, der zudem nicht Gegenstand der Planungen ist. Doch Peter Ernst verbindet seinen Unwillen gegen den skizzierten Ferienpark vor Fabrikkulissen mit viel Grundsätzlicherem. „Hier will sich einer elegant aus der Affäre ziehen und vor der Rekultivierung eines ausgepowerten Tagebaus und eines Industriestandorts ohne Perspektive drücken“, mutmaßt er. Müller indes beschwört ganz das Gegenteil: Man mache aus einem alten Wirtschaftsstandort einen neuen. „Da dürfte doch pauschal keiner etwas dagegen haben?“

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