zum Hauptinhalt

KulTOUR: „Mich sehen Sie nicht wieder!“

Liebesbriefe von Arthur Schnitzler und Adele Sandrock bei der Gartenlesung in Werder bei Familie Grille

Stand:

Die Liebe an sich und die Liebe konkret – am Briefwechsel zwischen der Schauspielerin Adele Sandrock und dem österreichischen Bühnenautor Arthur Schnitzler wird dieser Unterschied schlagartig deutlich. Beide waren um die 30, als ihre Liaison 1893 in Wien begann. Sie stand am Anfang einer großen Karriere, er, als gelernter Arzt finanziell unabhängig, war gerade dabei, sich einen Namen als Dramatiker zu machen.

Doch bevor Eva Weißenborn und Hans-Jochen Röhrig unter einem gewaltigen Ahorn vom Werden und Vergehen dieser seltsamen Liebe berichten, ist der Werdersche Garten der Familie Grille zu beschreiben: Das Ehepaar hatte dieses lange der Stadt zugehörende Grundstück 1995 gekauft, zuvor lernten Gymnasiasten und Berufsschüler hier „fürs Leben“. Gepflegter Rasen inmitten, ist jeder Teil dieser Anlage für sich sehenswert. Eine Drei-Meter-Hecke zur Straße, hier Rose, Lavendel, Hibiscus, dort allerlei Geblüm – man hatte ein Gartencenter in Spandau aufgegeben, um hier zu wohnen. Die vielen Gäste, auch Werderaner darunter, waren beeindruckt.

Auf den ersten Blick ist der innerstädtische Briefwechsel der beiden Wiener ein ständiges Auf und Ab. Schnurren, Gurren, Begehren zuerst, Liebe und Schwüre, doch den schön geschriebenen Worten folgten Eifersucht, Schmähung und Hass, wie immer, wie überall.

Nicht ganz, am Ende der knapp zwei Jahre währenden, sich quälenden Bindung steht ein Ungleichgewicht. Der Autor, um einen Kopf kleiner als seine Geliebte (die Sandrock lockte ihn mit einem Schemel: Komm, komm!), hatte wenigstens sechs Konkubinen neben ihr, was sie nur schwerlich verschmerzte.

Zumindest erweckte die von Hans-Jochen Röhrig besorgte Auswahl den Eindruck der Unverhältnismäßigkeit, er spielte mit ihr, sie aber war ihm geradezu hörig, obwohl auch sie „anderweitig liebte“. „Ich bin dir verfallen, bin dein!“ sogar dann noch, als er ihr „angeekelt“ den Laufpass gab, und ihrem „Mich sehen Sie nicht wieder!“ folgte eine Umarmung am folgenden Tag. Als der spätere Autor von „Reigen“ längst in den Armen der anderen lag, erlaubte er sich, seiner Dilly konkret den „Bambi“-Autor Felix Salten als Nachfolger zu empfehlen. Irgendwie tragisch, gut jedoch für eine von deftigen Anekdoten erfrischten Gartenlesung im Auftrage der Urania. Etwa die: Als sie bei einer Tournee zu sehr schnarchte, klopfte ihr Kollege nebenan an die Wand. Anderentags: „Mein Herr, ich habe Ihr Klopfen gehört, aber ich war zu müde!“

Die Darstellung dieses Briefverkehrs selbst war zwar erheiternd, aber trotz der wogenden Emotionen wenig abwechslungsvoll. Unstreitig, dass Eva Weißenborn ihren Part mit Genuss und mancher Nuance sprach, ihr Partner gehörig und ungehörig konterte. Eine Steigerung schien nicht möglich, eine Kürzung des nicht gerade neuen Programms schon.

Oder eingestreute, nicht nur ans Ende gesetzte Anekdoten. Etwa die: Bei einem Treffen mit Hitler kam man auf Juden (Arthur Schnitzler war selber einer) zu sprechen. Auf seine Schmähungen antwortete die Diva mit Haaren auf den Zähnen: „Meine besten Liebhaber waren Juden!“ 1895 war die ganze Chose vorbei. Schnitzler tröstete sich später damit, dass „wahre Liebe“ irgendwie auch mit Tugend zu tun haben müsse. Konkret: Künstlervolk hat“s immer faustdick hinter den Ohren!

Wie Cathrin Pfeifer bei der letzten Lesung in Potsdam, so schien diesmal der hervorragende Klarinettist Matthias Simm, der mit großer Leichtigkeit Donizetti, Strawinsky und andere spielte, schlicht unterfordert. Mehr Musik im Garten ist immer willkommen. Sonst war“s gut.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })