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Potsdam-Mittelmark: Mindestlohn für Handwerker

Zehnter Gesellentag in Caputh unter dem Motto „Guter Lohn für gute Arbeit“

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Schwielowsee - Über Zuwachs im eigenen Haus sollte man sich normalerweise freuen. Die Handwerkskammer Potsdam (HWK) verbuchte im vergangenen Jahr über 2000 gewerbliche Neuanmeldungen, damit sind insgesamt fast 16 000 Unternehmen zwischen Prignitz und Fläming registriert. Doch die Freude hält sich in Grenzen, denn die meisten dieser neuen Betriebe sind Ich-AG''s – und von diesem Geschäftsmodell hält man im traditionellen Handwerk wenig. Immerhin braucht es für eine Ich-AG keine besonderen Qualifikationen und so sehen sich Meisterbetriebe hier einer Billig-Konkurrenz ausgesetzt.

„Das ist, als ob man Nicht-Schwimmer über die Ostsee schickt und dann abwartet, wer in Dänemark ankommt“, sagt Harry Nöthe. Er ist bei der Handwerkskammer unter anderem für Betriebsberatung zuständig und kennt die Probleme von Ich-AG''s.

Auf dem zehnten Gesellentag in Caputh kamen am vergangenen Sonnabend wieder Mitglieder der hiesigen Gewerkschaften mit Handwerkern ins Gespräch. Unter dem Motto „Guter Lohn für gute Arbeit“ wurden Themen wie Hartz IV und die Frage nach einem gesetzlichen Mindestlohn diskutiert, wobei sich beide Seiten weitgehend einvernehmlich gaben. Denn alles andere als erfolgreich sind die Hartz-Gesetze auch für den regionalen DGB-Vorsitzenden Detlef Baer: „Vollzeitstellen wurden in Mini- oder Ein-Euro-Jobs umgewandelt, etliche Ich-AG''s sitzen auf einem immensen Schuldenberg.“ Er sieht die Konsequenzen in einem sich ausbreitenden Niedriglohnsektor, allein in Ostdeutschland würden bereits knapp 400 000 Menschen für einen „Armutslohn“ von unter 1000 Euro arbeiten. „Die meisten haben dabei eine abgeschlossene Lehre, viele sogar Hochschulabschlüsse.“ Dadurch werde der Druck auf Betriebe erhöht, die noch Tariflöhne zahlen. Die Kaufkraft werde weiter geschwächt und am Ende schrumpfe auch die Einnahmequelle für die Sozialkassen.

Die Forderung der Gewerkschaften: Ein gesetzlicher Mindestlohn, der auf lange Sicht 1500 Euro betragen soll. Dies mag überraschen, da sich die Arbeitnehmerverbände in der Vergangenheit durch einen Mindestlohn in ihrer Tarifautonomie bedroht sahen. Franz-Josef Möllenberg, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft Nahrung, Genuss und Gaststätten, erklärte den Gesinnungswandel: „Das System der Tarifverträge franst aus“, so würden Arbeitsplätze im Osten bereits zu 45 und im Westen zu 33 Prozent außerhalb des Tarifes bezahlt. Die Ursache sind laut Möllenberg starke Arbeitgeberverbände und die Tatsache, dass sich viele Betriebe lieber für den Erhalt der Arbeitsplätze als für Tariflöhne entscheiden. Ein branchenübergreifender Mindestlohn, vom Gesetzgeber vorgeschrieben, solle eine „Sicherung nach unten“ bilden und geltende Tarifverträge nicht aufheben.

„Tarifarbeit hat Vorrang“, pflichtete auch Winfried Alber, Staatssekretär im Brandenburgischen Sozialministerium, bei. Vom Staat subventionierte Kombilöhne – darauf läuft die Forderung nach Mindestgehältern in den meisten Fällen hinaus – seien jedoch nicht „unbedingt der Königsweg zu mehr Beschäftigung“. Gleichzeitig müsse für mehr Qualifizierung und Beratung der Betroffenen gesorgt werden. HWK-Präsident Klaus Windeck sprach sich unterdessen ebenfalls für Mindestlöhne aus. Es seien öffentliche Auftraggeber, die angemessene Löhne unterlaufen würden, indem sie sich regelmäßig für den billigsten Anbieter entscheiden.

„Guter Lohn für gute Arbeit“ – das Thema des Gesellentages wurde zu seiner dringendsten Forderung. „Jeder braucht einen vernünftigen Lohn, um wieder mit Stolz seiner Arbeit nachzugehen“, hieß es.

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