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Potsdam-Mittelmark: Miss Marple und der verlorene Finger

Im Betrugsprozess gegen den Fichtenwalder Zahnarzt Marcus B. drehte sich am Freitag alles um eine Spürhündin, die erfolglos blieb

Stand:

Potsdam/Beelitz - Miss Marple hat schon öfter eine gute Nase für abgeschnittene Gliedmaßen bewiesen. So konnte die langhaarige Jagdhündin einen Sack voll zerstückelter Arme und Beine aus der Spree ziehen. Das war vor knapp zwei Jahren, nachdem in Berlin ein Tätowierer von einem amerikanischen Kollegen kaltblütig ermordet worden war. Zielsicher habe die Personenspürhündin die Polizei zum Ziel geführt, sagte Herrchen Helmut Becker-Zang. Doch in einem anderen Fall – an jenem Märzabend im vergangenem Jahr – blieb die Spürnase erfolglos. Den vermissten linken Zeigefinger des Fichtenwalder Zahnarztes Marcus B. konnte Miss Marple nicht finden.

Am Freitagvormittag wurde im Potsdamer Amtsgericht die Verhandlung gegen den 43-jährigen Marcus B. fortgesetzt. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, sich verstümmelt zu haben, um die Versicherung um 850 000 Euro zu betrügen. B. bestreitet das. Zwei Räuber hätten ihn im März vergangenen Jahres in seiner Praxis in Fichtenwalde überfallen und Geld, Gold sowie Medikamente gefordert. Als sie das nicht bekamen, schnitten sie ihm den Finger ab und verschwanden damit, so die Version des Zahnarztes.

Noch am gleichen Abend wurde der Berliner Hundetrainer Helmut Becker-Zang von der Polizei nach Fichtenwalde gerufen. Mit seinen Personenspürhunden Miss Marple und Morwenna sollte er sich auf die Suche nach dem Finger machen. Selbst bis zu einem halben Jahr später könnten seine Hunde solche Spuren auch noch in einer Großstadt ausmachen, erklärte der Hundetrainer am Freitag vor dem Amtsgericht.

„Man muss die Fähigkeiten des Hundes lesen lernen.“ Mehrere Jahre bilde er die Jagdhunde aus. Immer sei er mit mindestens zwei Tieren vor Ort, um die Geruchsspur zu überprüfen. Jeder Mensch, so erklärte Becker-Zang, verliere Geruchsmoleküle. Sie fallen vom Körper ab, steigen in die Höhe und verteilen sich je nach Windbedingungen in der nahen Umgebung. Das sogar, wenn man im Auto sitzt, denn seit 1969 seien alle Wagen zwangsbelüftet, der Weg für die Moleküle also frei.

Mit einer Taschenlampe, seinen Hunden und B.s Lebensgefährtin im Schlepptau habe er sich am Abend des 26. März auf die Suche gemacht. Eine gebrauchte Socke vom Angeklagten, eine Geruchsprobe aus der Praxis und Tropfen von B.s Blut sollten Miss Marple auf die Spur des Fingers bringen. Allerdings habe die Lebensgefährtin des Arztes während des Weges viel geredet. „Das hat meine Arbeit gestört“, sagte der Hundetrainer. Nach langer Suche führte die Hündin die Polizei aber doch zur nah gelegenen Autobahnauffahrt. Dort stoppte sie. Entweder der verlorene Finger oder Marcus B. selbst müssen diesen Weg über die Autobahn in Richtung Potsdam/Berlin genommen haben, so ist Becker-Zangs Fazit.

Das allerdings bringt das Gericht in der Wahrheitsfindung nicht voran. Vermutlich fuhr der Krankenwagen, in dem B. nach dem Überfall saß, genau diesen Weg ins Krankenhaus. Eine andere Aussage des Hundetrainers machte jedoch stutzig: Ihm sei aufgefallen, dass wenig Blut in der Praxis verspritzt war, sagte Becker-Zang. Das habe er nicht erwartet, sollte doch dort ein Finger abgetrennt worden sein.

Bereits in den vergangenen Verhandlungstagen wurde viel über B.s Blutspuren und die darin gefundenen Schmerzmittel gerätselt. Ein Rechtsmediziner, ein Kriminalbiologe und ein Toxikologe äußerten bereits Zweifel an B.s Tatversion. Es sei zu wenig Blut in der Praxis gefunden worden, auch die Spritzmuster der Tropfen widersprechen B.s Darstellung. Zudem lasse die Höhe der Konzentration des im Blut des Zahnarztes gefundenen Schmerzmittels nur einen Schluss zu: Marcus B. muss sich das Mittel gespritzt haben, bevor er den Finger verlor.

Am 31. Mai wird die Verhandlung fortgesetzt. Ein Urteil wird frühestens am 18. Juni gefällt. Tobias Reichelt

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