
© Enrico Bellin
Feuerwehr in Potsdam-Mittelmark: „Mister Feuerwehr“ macht Schluss
Lothar Boreck hat am Montag seinen letzten Arbeitstag. Seit 50 Jahren ist er Feuerwehrmitglied. Doch ganz aufzuhören, daran denkt er erst einmal noch nicht.
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Werder (Havel) - Als vor 55 Jahren der Dachstuhl eines Fischerhauses brannte, war das für Lothar Boreck ein prägendes Erlebnis. Der damals Zehnjährige bekam auf Werders Insel hautnah mit, wie sich die Bewohnerin aus einer Luke aufs Dach rettete und um Hilfe schrie. „Mein Vater hat es geschafft, die Frau vom Dach zu holen und die Feuerwehr zu rufen“, so Lothar Boreck. Damals war für ihn klar, dass er zur Feuerwehr will.
Am Montag wird der 65-Jährige zum letzten Mal zum Dienst beim Rettungswesen des Landkreises erscheinen. Für die meisten Werderaner kaum vorstellbar, gilt Boreck im Ort doch als „Mister Feuerwehr“: Er sorgte dafür, dass die Stadt 2008 eine neue Wache bekam und zur Stützpunktfeuerwehr wurde, beschaffte ein neues Feuerwehrboot und neue Fahrzeugtechnik. Seinen Posten als Werderaner Stadtwehrführer, den er zehn Jahre lang innehatte, hat er bereits im April abgegeben.
Seit 50 Jahren im Dienst der Feuerwehr
Seit fünf Jahrzehnten ist Boreck Mitglied der Feuerwehr, vorher war er bei den „jungen Brandschutzhelfern“. „Als Jungs waren wir ja alle feuerwehrvernarrt.“ Maschinist, Gruppenführer, Projektleiter: Kaum einen Posten, den der Mann mit der herzlich-ruppigen Werderaner Schnauze nicht innehatte. Bei der Teltower Berufsfeuerwehr war er unter anderem für die chemische Abwehr zuständig. „Wir waren so was wie die ABC-Einheit, mit Entgiftungs- und Duschfahrzeug.“
Zur chemischen Bekämpfung musste er nie ausrücken. „Zum Glück, ein Fahrzeug für den ganzen Bezirk Potsdam war Augenwischerei, da hätte man nicht viel ausrichten können.“ Mit dem Duschwagen durfte er aber durch die DDR ziehen, zu Sportwettkämpfen nach Leipzig oder den Weltfestspielen in Berlin 1973. „Das war eine super internationale Stimmung, und die Leute mussten ja irgendwo duschen.“ Zu intimeren Kontakten sei es nicht gekommen, schließlich war er schon verheiratet und musste die Technik bedienen.
West-Verwandtschaft durfte nicht nach Werder
Mit dem DDR-System gab es Reibungspunkte. Boreck, der für den Job von Werder nach Teltow gezogen ist, hatte Westverwandschaft. Die Vorgesetzten wussten oft eher als er, dass sich die Tante „von drüben“ zu Besuch angemeldet hat und verboten ihm den Besuch der Familie in Werder. Nachdem er „den Mund mal zu voll genommen“ hatte, war er plötzlich kein Gruppenführer mehr.
Kurz vor der Wende wurde die Teltower Berufsfeuerwehr aufgelöst, mit Boreck blieben nur drei Kollegen für den Notruf da. Nach einigen Irrungen – erst wollte der 1994 gebildete Landkreis Potsdam-Mittelmark in Glindow eine Leitstelle bauen –, schloss sich dann aber der von Brandenburg/Havel an, wurde Boreck Sachbearbeiter der Leitstelle.
Die Ehefrau brauchte indes starke Nerven: Als 1996 die drei Funknetze der Altkreise vereinheitlicht werden sollten, befürchtete Boreck Empfangsprobleme. „Also bin ich an meinem Hochzeitstag, an dem ich extra freigenommen hatte, nach Teltow gefahren, um mich bei der Firma Peitel über neue Funkanlagen zu informieren.“ Als er 22 Uhr zu Hause war, gab es ordentlich „harte Worte“ von der Frau.
Brand in der Glindower Feuerwache bleibt unvergessen
Zudem war die Mühe vergeblich. Die alte Technik blieb, bis im gleichen Jahr ein Rettungswagen zu spät an einem Unfallort ankam, da er keinen Funkempfang hatte. „Ab da durfte ich das neue System für den Landkreis mit aufbauen“, so Boreck, der seit 1998 wieder in Werder wohnt und dessen letzte Aufgabe es war, auch den Digitalfunk im Kreis flächendeckend einzuführen.
Ein Einsatz aus den 50 Jahren blieb Boreck besonders in Erinnerung: Als 2006, als er Stadtwehrführer war, nachts die Glindower Feuerwache brannte. „Die Flammen konnte ich bei der Hinfahrt schon am Glindower Eck lodern sehen“, so Boreck. „Da rutscht einem erst mal das Herz in die Hose.“ Ein Anbau mit Sozialtrakt brannte völlig aus. 40 Leute waren drei Stunden lang im Löscheinsatz, es gab zum Glück nur zwei leichte Rauchvergiftungen. Boreck musste in seiner Laufbahn keinen schwer verletzten Kameraden sehen – das sei das Beste, was ihm passiert ist. Und der schlimmste Moment? „Die Schließung der Bliesendorfer Wache im Jahr 2010, weil es dort nicht mal mehr eine Handvoll Leute gab.“
Über die Zukunft hat sich Boreck noch nicht viele Gedanken gemacht, dafür nahm ihn die Einführung des Digitalfunks zu sehr in Beschlag. Erst mal wird Urlaub gemacht, zu Hause in Werder, dann muss man mal schauen. „Ich bin mir sicher, dass meine Frau genug Aufgaben findet“, so Boreck. Falls nicht, sei er ja noch Feuerwehrmitglied in Werders „Alters- und Ehrenabteilung“.
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