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Frank-Rudolf Britz mit seiner Schwalbe.

© Andreas Klaer

Ein Mittelmärker und seine Schwalbe: Mit 60 Sachen nach Börgeende

Frank-Rudolf Britz aus Bergholz-Rehbrücke kann sich von seiner 50 Jahre alten Schwalbe nicht trennen. Zu viele Erinnerungen verbindet er mit ihr. Der Simson-Roller feiert dieses Jahr ein noch viel größeres Jubiläum.

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Nuthetal / Potsdam - Er kann sich einfach nicht von ihr trennen. So viele schöne Erinnerungen seien mit ihr verbunden. Fünfzig Jahre ist es her, als Frank-Rudolf Britz aus Bergholz-Rehbrücke seine Schwalbe im Zweiradladen Am Findling in Babelsberg gekauft hat. Auch wenn er gar nicht mehr damit fährt: Verkaufen kann er seinen DDR-Motorroller nicht. „Ich bring es nicht übers Herz.“

Einfach zu bekommen war sie nicht. „Mein Bekannter kannte den in der Verkaufsstelle recht gut.“ Mit 50 Mark Schmiergeld wurde die Anmeldezeit auf wenige Tage verkürzt. Für 1080 Mark habe er die Schwalbe dann am 28. März 1966 gekauft, damals wurde der schmucke Motorroller erst zwei Jahre lang produziert. Die Fahrgestellnummer weiß Britz immer noch auswendig, man staunt: 452 0038. „In der ersten Zulassung stand noch eine falsche.“

Geschützt bei Wind und Wetter

Die Schwalbe war das erste Modell der bekannten „Vogelserie“ von Simson in Suhl. Britz hatte damals ganz frisch seinen Mopedführerschein und brauchte die Schwalbe, um von seiner Maurerlehre beim Wohnungsbaukombinat Potsdam nach Hause nach Klausdorf zu „flattern“. Die 40 Kilometer waren eine klassische Strecke für das Gefährt. „Auch bei Wind und Wetter saß man geschützt. Vorne an den Henkeln hing die dreckige Wäsche, hinten auf dem Gepäckträger war die Tasche aufgeschnallt.“

Es gibt noch ein zweites, größeres Jubiläum für die 50-Kubik-Maschine: Vor 30 Jahren wurde ihre Produktion eingestellt, selbst die jüngsten Modelle werden dieses Jahr zu Oldtimern. Es gibt nur wenige Kraftfahrzeuge auf der Welt, die länger vom Band gelaufen sind, erzählt der Leiter des Suhler Simson-Museums, Joachim Scheibe. Über eine Million Mal wurde die Schwalbe gebaut.

Die Schwalbe - ein verlässlicher Begleiter bis heute

Der Grund dafür, dass sie bis heute im Straßenbild präsent ist, ist für Scheibe ganz klar die Unverwüstlichkeit. Nachdem Kinderkrankheiten mit der Zündung ausgeschaltet wurden, sei die Schwalbe ein zuverlässiger Begleiter gewesen. „Schauen Sie sich um“, so Scheibe. „Die japanischen Mopeds aus den 80ern sind alle Schrott. Die Schwalbe fährt.“

Frank-Rudolf Britz hatte noch eines der frühen Modelle mit Dreigang-Handschaltung und Radialgebläse erwischt, die KR 51. „Im Winter mit dicken Handschuhen war das Schalten nicht ganz einfach.“ Mit der Zündung habe es tatsächlich öfter Probleme gegeben, der Roller war schlecht anzutreten. Die Zündkontakte mussten immer wieder nachgestellt werden und die Messingbürste zur Reinigung der Zündkerze war bei jeder Fahrt dabei. Auch in jenen drei Sommern, als der inzwischen pensionierte Bauingenieur mit dem Gefährt und aufgeschnalltem Zelt nach Börgeende an die Ostsee fuhr – nicht mehr die Lieblingsdistanz der Schwalbe, doch auch an die achtstündige Tortur erinnert er sich heute gern.

In der kompletten Bauzeit von 1964 bis 1986 habe sich äußerlich wenig an der Schwalbe geändert, sagt Simson-Experte Scheibe. „Der wesentlichste Fortschritt am Motor war das Triebwerk mit wahlweise 3- oder 4-Gang-Ziehkeilgetriebe, das ab 1980 eingebaut wurde.“ Es kam mit dem neuen Simson-Mokick S 51 auch in die Schwalbe, die der Mokickproduktion in Suhl ohnehin einiges zu verdanken hat.

Zu 90 Prozent seien die gleichen Teile wie bei den parallel produzierten Mokicks verwendet worden, sagt Scheibe: Star, Spatz, Sperber und später die S 50 und S 51. „Deshalb hatte die Schwalbe auch die für einen Motorroller großen 16-Zoll-Räder und ein Schaltgetriebe.“ Für Scheibe ein echter Exot, den es vorher nicht gab und auch nicht mehr geben werde. Zu diesem Ruf habe auch das Tempo von 60 Stundenkilometern beigetragen, auf das der Dreieinhalb-PS-Motor den Roller beschleunigte.

Auch auf der Autobahn erlaubt

Bei glatter Straße sei man durchaus auch 70 gefahren, erinnert sich Frank-Rudolf Britz. Für die Schwalbe habe auch gesprochen, dass man sie auf der Autobahn fahren durfte – auf der seinerzeit freilich weniger Verkehr herrschte und ein Tempolimit von 100 galt. Einmal habe er am Autobahnrand einen Schlauch geflickt. Angenehm sei es nicht gewesen, aber es ging schnell mit Schraubenschlüssel und Rundstab. „Das Hinterrad war ja einseitig eingesteckt“, so Britz. Auch die gekapselte Kette, die hydraulische Schwingenfederung und der Verbrauch von zwei bis drei Litern sind Dinge, wegen denen der 65-Jährige seine Schwalbe schätzte und schätzt. Auch wenn seine Frau, Töchter und Enkel bisweilen den Kopf schütteln.

Dass es so lange keine Modellwechsel gab, lag laut Simson-Museumschef Scheibe daran, dass sich die Mokicks besser verkauften und zwei Drittel der Zweiradproduktion ausmachten. „Es gab jede Menge Ideen für neue Rollermodelle, aber es fehlte das Geld und im Zweifel hatten die Mokicks immer Vorrang.“ Ganz aufgehört hat die Produktion bis heute nicht: In einem Unternehmen in Suhl würden immer noch Ersatzteile für die Schwalbe produziert, deren Andenken in Dutzenden Schwalbe-Klubs in Ost und West gepflegt wird.

Auch Frank-Rudolf Britz will dazu beitragen: Am 28. März – dem 50. Geburtstag seiner Schwalbe – will er mit Garagennachbarn beim Grillen auf Simson in Suhl anstoßen. 

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