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Potsdam-Mittelmark: Mit dem Mut des Gelassenen

Nach 44 Jahren als Landarzt in Werder und Glindow geht Manfred Thiel jetzt in den Ruhestand

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Werder (Havel) - Dr. Manfred Thiel hat zwei Sprechzimmer in seiner Praxis am Glindower See. Eigentlich – so war die Idee – wollte er sie wechselseitig nutzen, um die Patienten schneller behandeln zu können. In der Praxis hat das jedoch nie funktioniert. „Ich muss den Patienten hereinkommen sehen“, sagt er. So manche Diagnose hat der Allgemeinmediziner dabei schon gestellt. Einen Schlaganfall zum Beispiel hat er bereits erkannt, als der Patient noch in der Tür stand.

„Geduld ist der Mut des Gelassenen“ – getreu diesem Leitspruch hat sich Manfred Thiel in den vergangenen 44 Jahren als Landarzt in Werder und Glindow viel Zeit für seine Patienten genommen. Im Warteraum hat es dafür meist Verständnis gegeben, denn jeder wusste, dass auch er schließlich mit der vollen Aufmerksamkeit des Doktors rechnen konnte. Die eigene Familie hatte sich darauf eingerichtet, dass er den größten Teil seines Lebens in der Praxis verbrachte oder Bereitschaftsdienste fuhr. Und selbst der Urlaub stand manchmal auf der Kippe. Einmal musste sogar der Reisebus zum Nordcap warten, weil der Doktor unverhofft noch einen Notfall hatte.

Jetzt übergibt Manfred Thiel seine Praxis am Glindower See an einen jüngeren Nachfolger. Jan Hammann kommt aus Glindow und ist Facharzt für Innere Medizin. „Ich bin überzeugt, dass er der Richtige ist, sonst würde ich nicht in den Ruhestand gehen“, sagt der mittlerweile 71-Jährige. Viele Patienten seien nach seinem 65. Geburtstag besonders freundlich zu ihm gewesen. „Sie waren froh über jedes Jahr, das ich noch weitergemacht habe.“ Da gebe es ein Vertrauensverhältnis zu ihm, dass sich in vielen Werderaner und Glindower Familien nun schon über Generationen aufgebaut habe.

Manfred Thiel, der in Halle/Saale Medizin studierte, kam 1964 an das Landambulatorium Werder, sieben Jahre später wechselte er nach Glindow. „Für mich stand fest: Ich brauche den persönlichen Kontakt zu den Patienten und möchte praktischer Arzt werden.“ Schnell wurde jedoch auch klar, dass dies kein normaler Beruf mit geregeltem Lebenszyklus war. Der Bereitschaftsdienst dauerte damals noch eine Woche. Tag und Nacht hieß es dann, im Notfall über Land zu fahren – ohne die Möglichkeit der schnellen Kommunikation über Funk oder Mobiltelefon. Vieles hat sich seitdem verändert. Nach der Wende wurde er niedergelassener Arzt, konnte zu seiner Freude eigenverantwortlich arbeiten. Moderne Technik, lebenswichtige Laborbefunde schon nach kurzer Zeit – vieles habe sich verbessert, sagt er. Auf der anderen Seite ärgert er sich über die Bürokratie der Krankenkassen oder über sogenannte „blutige Entlassungen“, wenn Patienten aus den Krankenhäusern zu früh verabschiedet werden müssen, um die vorgeschriebenen Liegezeiten nicht zu überschreiten.

Engagiert hat sich der Landarzt auch im Vorstand der Jahnschen Stiftung. Gegründet wurde sie auf Verfügung der am 9. Juli 1916 gestorbenen Berlinerin Luise Jahn. Aus dem Vermögen der Stiftung wurde nach ihrem Willen am Ufer des Glindower Sees – dort wo auch Thiel seine Praxis hat – ein Krankenhaus für die Ziegeleiarbeiter und ihre Familien errichtet. Ab 1961 war das Areal der Jahnschen Stiftung dann Heimstatt der Förderschule für behinderte Kinder. Als der Landkreis diese Bildungseinrichtung im Jahr 2002 nach Werder verlegte, mussten neue Nutzer gesucht werden. Teilweise ist das schon gelungen. Manfred Thiel wünscht sich, dass in den noch leer stehenden Gebäuden eine Seniorenwohnanlage entsteht. Das wäre auch im Sinne von Luise Jahn, ist er sich sicher, doch alle Bemühungen waren bisher umsonst.

Ende vergangener Woche hatte Manfred Thiel seinen letzten Arbeitstag; Ein Dienst, der bis zu Samstagmorgen dauerte. Das gehörte 44 Jahre lang zum Mediziner-Alltag, den er mit Gelassenheit gemeistert hat. So geht er nun auch in den Ruhestand. Er will reisen und Wintersport treiben. Seit Jahrzehnten schon ist er begeisterter Abfahrtsläufer. Jetzt freut er sich darauf, auch seinem Urenkel das Skifahren beizubringen.

Am kommenden Samstag, dem 21. Juni, von 11 bis 15 Uhr wird Manfred Thiel in der Praxis an der Glindower Luise-Jahn-Straße offiziell verabschiedet. Patienten, Freunde und Kollegen sind herzlich willkommen.

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