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Potsdam-Mittelmark: Mit einer toten Biene fing es an

Christina Kuhlmey gewann mit ihrem Team bei der Europäischen Biologie-Olympiade in Brüssel

Stand:

Stahnsdorf - Wenn Christina Kuhlmey von der Agarose-Gelelektrophorese spricht, spätestens dann kapituliert man. Dass der genetische Fingerabdruck in der Justiz genutzt wird, um einen Täter zu überführen, so viel ist einem bekannt. Doch geht es ans Eingemachte, an den genauen Ablauf des wissenschaftlichen Verfahrens, zu dem auch die Agarose-Gelelektrophorese gehört, fühlt man sich schnell erschlagen von all den Fachbegriffen und dem Hin und Her von getrennten DNA-Strängen in elektrischen Feldern.

Für die 17-jährige Christina Kuhlmey ist das Verfahren um den genetischen Fingerabdruck, sind Genetik, Zoologie und Zellkunde Alltagsgeschäft. Ende April nahm die Stahnsdorferin in Brüssel an der European Union Science Olympiad (Euso), der europäischen Biologie-Olympiade teil und belegte mit ihrem Team aus einem Physiker, einem Chemiker und einer Biologin den ersten Platz. Eine der zu lösenden Aufgaben war die Ermittlung eines genetischen Fingerabdrucks nach einem „Sabotageakt“ in einer Lebensmittelfabrik. Für Christina Kuhlmey, die Biologieexpertin, kein Problem.

Ihre Teilnahme an der Euso war die mittlerweile siebente Biologie-Olympiade. In der 8. Klasse schickte ihr Biologielehrer sie zum ersten Mal los. Seit dem ist sie zur Wiederholungstäterin geworden. Christina Kuhlmey sagt, dass dort kein reines Fachwissen abgefragt werde. Man müsse von allem ein wenig wissen und schnell Problemlösungen entwickeln. Oft sei auch „kreatives Querdenken“ gefragt.

„Letztes Jahr habe ich bei der Euso in Irland teilgenommen und mit meinem Team die Silbermedaille geholt“, sagt Christina Kuhlmey. Sie sagt das, als sei es die normalste Sache der Welt. Dass sie Vorrunden bestehen, sich also gegen andere Bewerber durchsetzen musste, erwähnt sie nur auf Nachfrage. Christina Kuhlmey achtet darauf, kein allzu großes Aufsehen um ihre Leidenschaft zu machen.

Fragt man sie, wann ihre Leidenschaft für die Biologie begann, muss sie einen Moment lang überlegen. Sie mochte schon immer die Natur, interessierte sich früh für das, was im elterlichen Garten vorging. Als kleines Mädchen bekam sie ein Mikroskop geschenkt. Ihr erstes Untersuchungsobjekt: eine tote Biene, die sie auf dem Hof fand. Es folgten Blätter, Wassertropfen und Haare ihres Hundes. Dann begann sie Fachbücher zu lesen, alles, was ihr in die Hände kam.

Lange Zeit war für Christina Kuhlmey klar, sie würde Tierärztin werden. Doch seit einigen Monaten ist sie sich da nicht mehr ganz sicher. „Ich finde alle Fachgebiete der Biologie so interessant, da möchte ich mich noch nicht festlegen“, sagt sie. Noch hat sie Zeit. Denn erst in zwei Jahren wird sie ihr Abitur am Kleinmachnower Weinberg-Gymnasium abschließen. Dass ihre Zukunft in der Biologie liegt, weiß sie sicher.

Was ihr an Freizeit bleibt, nutzt Christina Kuhlmey, um Geige zu spielen, für das Schultheater oder fürs Orchester zu proben oder zu lesen. Mal keine Fachliteratur. Danach gefragt, was sie denn am liebsten liest, steht sie vor dem gleichen Dilemma wie der bei Biologie: Ihr gefällt fast alles und so liest sie, was ihr gerade in die Hände fällt. Viel Zeit hat sie dafür gerade nicht. Ende Mai nimmt Christina Kuhlmey an der letzten Vorrunde für die Internationale Biologie-Olympiade in Argentinien teil. Die ersten drei Runden hat sie erfolgreich überstanden. Bei der drittletzten sogar den vierten Platz belegt. Doch gibt sich Christina Kuhlmey, was ihre Chancen in den letzten und entscheidenden Runde betrifft, sehr zurückhaltend. „Ich glaube kaum, dass ich unter die besten Vier kommen werde.“ Die meisten Teilnehmer der Endrunde stehen kurz vor dem Abitur. Und deren Wissensvorsprung lässt sie vorsichtig sein. Doch auch welchen Platz sie belegen sollte, an einem alten Ritual wird sich nichts ändern. Ihre Eltern erfahren von ihrem Abschneiden erst am Bahnhof, wenn sie ihre Tochter vom Zug abholen, obwohl sie während den Olympiaden regelmäßig mit ihr telefonieren. So haben sie von ihrer Silbermedaille im vergangenen Jahr und ihrem Sieg in diesem Jahr erfahren. Und vielleicht werden sie Ende Mai, wenn Christina Kuhlmey von der Endrunde wiederkommt, erfahren, dass ihre Tochter im Sommer doch zur Internationalen Biologie-Olympiade nach Argentinien fährt.

Dirk Becker

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