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Statt singen. Obstbaumeister Stefan Lindicke setzt auf einen Papierdrachen, um Stare von der Kirschplantage zu verjagen.

© Henry Klix

Obstbauern in Werder: Mit falschen Falken gegen Stare

Werders Obstbauern retten findig ihre Kirschen vor gierigen Staren - mit einer raffinierten Technik. Bei Stefan Lindicke hat sich diese bewährt.

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Werder (Havel) - Ein Wölkchen aus schwarzen Punkten flitzt durch den Sommerhimmel, Obstbaumeister Stefan Lindicke erkennt die Stare sofort. Von der Glindower Platte kommend schweben sie nach Osten auf seine Kirschplantage am Plessower Eck zu, entscheiden sich dann doch für eine andere Route. Lindicke sieht, wie sie sich ein paar Hundert Meter weiter in einer Obstwiese niederlassen. Glück gehabt.

Dass die Stare seine Kirschen meiden, liegt an einem Raubvogel, der bald zehn Meter hoch über den mit prallen Knuppern behangenen Bäumen schwebt. Bei genauerem Hinsehen entpuppt er sich als Papierdrachen. Er ist wie ein Angelköder an einer Rute befestigt und dreht seine Himmelsrunden im Radius der Leine. Drei solcher Raubvogeldrachen flattern über Lindickes Plantagen, die sich an verschiedenen Standorten befinden.

Papierdrachen schützt Kirschen in Werder

„Zur Vogelabwehr muss man verschiedene Konzepte fahren. Diesmal scheint es mit den Papierdrachen zu funktionieren“, sagt er. Seit zehn Jahren seien sie auf dem Markt. Die ersten Exemplare ließ er sich aus den USA einfliegen, inzwischen werden sie in Deutschland vertrieben. Besucher seines Hofes erkundigen sich inzwischen bei ihm nach dem falschen Greif, der auch in Hausgärten sein Werk tut.

Stare richten im Obst- und Weinbau Jahr für Jahr gewaltige Schäden an, bisweilen fallen sie über Maisfelder her. Sie gelten zwar als Schädlingsbekämpfer, lieben zum Beispiel Larven der Wiesenschnaken, Puppen des Eichenwicklers und Maikäfer. In den 1970er- und 80er-Jahren wurde sie in Ländern wie Frankreich und Belgien dennoch mit Dynamit und Gift bekämpft. Hier zeigte das wenig Wirkung: Der gesellige Gesangeskünstler gehört laut Nabu zu den häufigsten Gartenvögeln, in Brandenburg landete er bei der jüngsten Nabu-Zählung „Stunde der Gartenvögel“ auf Platz zwei, im deutschen Durchschnitt auf Platz fünf.

Stare lassen nur noch Kirschkerne übrig

Obstbaumeister Lindicke hat ihr Verhalten seit Jahren beobachtet: Das Nachsehen hätten besonders Obstbauern, deren Plantagen am Rande von Anbaugebieten oder in Wassernähe liegen. Am Plessower Eck hat er gesehen, wie sich die Schwärme meist vormittags in den Alleebäumen niederlassen und auf eine gute Gelegenheit warten. Fällt ein großer Schwarm über seine Plantagen her, kann Lindicke einen Teil der Ernte abschreiben. „Von den Kirschen hängen dann nur noch die Steine und die Blätter sind so vom Saft verklebt, dass man selbst die intakten Früchte nicht mehr ernten kann.“

Zur Starenabwehr im Erwerbsobstbau kommen zum Beispiel akustische Geräte zum Einsatz, die Warnlaute von Staren oder Schreie von Adlern imitieren. Die Lautsprecher seien aber aufwendig zu installieren. Lindicke setzt auf einen Wechsel verschiedener Techniken. Irgendwann würden die Stare mitbekommen, dass sie hinters Licht geführt werden, dann müsse eine neue Technik ran. Auch CDs und Kofferradios in Hausgärten zeigten nur befristet Wirkung. Netze hält Lindicke ohnehin für unverzichtbar.

Bussardstangen und Falkenhorste helfen außerdem

„Früher mussten die Erntehelfer singen und pfeifen“, sagt Lindicke, womit nicht nur die Stare vertrieben wurden: Die Bauern hatten die Gewissheit, dass nicht genascht wird. Heute bekommen Erntehelfer schon mal eine Luftdruckfanfare oder Startklappen für den Fall der Fälle mit. Als es vor einigen Jahren mal besonders arg mit den Staren war, hatte ein Kollege einen Erntehelfer ganztätig zur Starenjagd mit dem Fahrrad abgestellt, so Lindicke. Sind die Stare einmal vertrieben, ließen sie sich mehrere Stunden nicht blicken.

Was immer hilft, seien Bussardstangen und künstliche Falkenhorste, die beim nachhaltigen Anbau, dem sich die Werderaner Obstbauern verpflichtet fühlen, in jede Plantage gehören. Lindicke selbst hat die Stangen überall installiert und auch bald ein Dutzend Falkenhorste. Viele seien besetzt, auch der am Plessower Eck, wo ein Vogelwart kürzlich fünf wohlgenährte Jungtiere zählte. Henry Klix

Am Wochenende lädt Stefan Lindicke von 10 bis 16 Uhr in seinen Stadtgarten am Hohen Weg zur Selbstpflücke ein, ein paar Kirschen hätten die Stare übrig gelassen

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