Potsdam-Mittelmark: Mit Name und Adresse
Raum des Erinnerns an Kriegsopfer in Caputh
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Raum des Erinnerns an Kriegsopfer in Caputh Schwielowsee · Caputh - Auch sechzig Jahre nach Kriegsende bleibt hierzulande der Umgang mit den gefallenen deutschen Soldaten nicht unproblematisch. An ihnen nämlich entzündet sich die Frage, wie viel „Befreiung“, wie viel „Niederlage“ zu verarbeiten ist. Nach dem Streit um die Gedenktafeln des ersten Weltkrieges geht Caputh hierbei mit gutem Beispiel geradezu exemplarisch heran. Vor anderthalb Jahren rief der Ortsbeirat die von Burkhard Franck geleitete „Arbeitsgruppe Gedenken“ ins Leben. Sie soll „allen Caputher Kriegsopfern“ des 2. Weltkrieges – Soldaten und Volkssturmleuten wie auch Suizidanten und später von den Russen „Abgeholten“ – einen „öffentlichen Raum“ des Erinnerns schaffen, und zwar, soweit möglich, mit Namen und Adresse. Namen sind immer konkret. Von ihr beauftragt, arbeitet der Potsdamer Vikar, Sozialpädagoge und Publizist Klaus Hugler derzeit an einer Broschüre zum „Kriegsende in Caputh“, die zum Herbst vorliegen soll. Sie stützt sich einerseits auf archivierte Erlebnisberichte, wie sie Bürgermeister Sydow 1945 von den Einwohnern abgefordert hatte, andererseits befragt er dazu die letzten Zeitzeugen selbst. Am Montag stellten Arbeitsgruppe und Autor im Sportlerheim erste Ergebnisse aus diesem Büchlein in crescendo etwa 30 Besuchern vor. Mitglieder der Familie Heidrich umrahmten diese interessante Veranstaltung durch Beiträge aus dem „Klezmer-Fiddler“, Margitta Grunwald begleitete die jungen Violinisten Maximilian, Aron und Julian am E-Piano. Da alle Geschichte auch eine Vorgeschichte hat, begann Hugler die zweistündige Veranstaltung mit Zeitungsmeldungen aus dem „Zauchbelziger Kreisblatt“ der Jahre 1933/35, wie sie auch die Caputher auf ihren Frühstückstisch bekamen. Neben der „Verordnung zum Schutze des deutschen Volkes“ und der sieghaften Nachricht, dass schon im ersten Jahr der Hitler-Herrschaft alle Parlamente „marxistenfrei“ seien, erfuhren sie von nur einer Caputher NSDAP-Stimme, welche die Judenvertreibung aus dem Ort forderte. Das änderte sich freilich, später lobte das Blatt die „rege Beteiligung“ der Einwohner „an der Volksgemeinschaft“. Sydow (SPD) blieb von 1930 bis 1934 im Amt, nach Kriegsende wurde er wieder als Gemeindevorsteher eingesetzt. Ihm hat Caputh, wie Fritz Bornemann damals schrieb, viel Gutes zu verdanken, die Reparatur der 92 teilzerstörten Häuser, das neue Entbindungsheim (hier werden Zeitzeugen gesucht), aber auch die „Berichte über das Kriegsende“ nach dem Einzug der Russen am 26. April, denn weitblickend forderte er: „Die Besatzung durch die Rote Armee muss festgehalten werden“. Bornemann selbst war mit einem Dutzend Gleichgesinnter maßgebend an der Kapitulation des Ortes beteiligt. Werner Behrendt berichtete Sydow über die Einquartierung von 2500 russischen Soldaten im flüchtlingsvollen Ort, Richard Probst über die Künstler (Magnus Zeller u.a.) und Intellektuellen, sowie über Sydows Tagesarbeit, Hans Benecke hielt Impressionen aus dem gerade zerstörten Potsdam in seinem Tagebuch fest. Inge Dallorso las aus ihrer schon 1985 verfassten Orts-Chronik, Viel Leid, viel Solidarität, weniger Not als in anderen Orten. Vielleicht, meinte Burkhard Franck zum Schluss, sei der eine oder andere Bericht zugunsten der neuen Macht ein wenig „rosarot“ geraten, auch das müsse noch erforscht werden. Als Veranstalter habe man vorerst das Täter-Opfer-Schema vermeiden, sogar das Gedenken in den Hintergrund rücken wollen. Man darf den sensiblen Umgang mit einem so nahen Thema bestätigen. Wie ein Crielitzer Künstler an einem Denkmal für das Öffentliche, so arbeitet Hugler weiter an seiner Schrift, mit Name und Adresse. Neben dem jetzt präsentierten Material, so ließ er durchblicken, habe er aber noch ein paar Extras in Petto.
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