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Potsdam-Mittelmark: Mit zu viel Lehm geworfen

Persönliche Verunglimpfungen sorgen in Beelitz und Michendorf für einen Wahlkampf-Kater

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Persönliche Verunglimpfungen sorgen in Beelitz und Michendorf für einen Wahlkampf-Kater „Wie immer gilt: beleidigende oder unsachliche Einträge werden umgehend gelöscht!“ So steht es im Gästebuch der Internetseite der CDU Beelitz. Gelöscht wird aber nicht nur, wenn jemand gegen Würde und Anstand verstößt. Auch Aussagen, die sich gegen die CDU Beelitz richten, verschwinden von einem Tag auf den anderen. Tilo Köhn vom Unabhängigen Kommunalbündnis hat es selbst erfahren. Dabei bezog sich ein Eintrag auf eben diesen Wunsch der CDU. Denn aus Köhns Sicht haben die Beelitzer Christdemokraten selbst Probleme beim nüchternen Umgang mit den Fakten. Der ehemalige Vorsitzende der Beelitzer Stadtverordnetenversammlung hat es kurz vor dem Wahlsonntag am eigenen Leib erfahren. In einem „Informationsblatt“ wird die angebliche „Erfolglosigkeit“ der UKB-Fraktion genauso angeprangert wie der Positionswechsel Köhns beim Thema Gemeindereform: Mit fliegenden Fahnen habe er das Lager gewechselt. „Folgerichtig wäre gewesen, er wäre gleich zur SPD gegangen“, heißt es in dem Pamphlet. Einen Tag nach der Wahl hoffte der Beelitzer CDU-Chef Mario Didschun dann auf eine gute Zusammenarbeit mit dem UKB, schüttelt Köhn den Kopf. „Ansich waren die Kontakte zur neuen CDU-Führung tatsächlich nicht schlecht“, so Köhn. Nach der Schmähschrift, die vor einer Woche ausgerechnet zeitgleich mit dem UKB-Wahlprogramm in die Beelitzer Briefkästen flatterte, müsse aber eher von Abkühlung die Rede sein. „Vielleicht haben die Stammtischparolen der CDU ein paar Stimmen gebracht.“ Doch dass das im Verhältnis zu dem angerichteten Schaden stehe, glaubt Köhn nicht. Nicht nur er fühlt sich an die Schlammschlacht im jüngsten Bürgermeisterwahlkampf erinnert. Kein Wunder, der Autor des Flugblattes ist Karl Steffens, der schon für CDU-Bürgermeisterkandidat Günter Laurich den Wahlkampf mit selbst innerhalb der CDU umstrittenen Parolen führte. Auch diesmal führte das Papier zum innerparteilichen Streit. Unfreundliche Äußerungen von Parteimitgliedern auf der CDU-Homepage wurden ebenso gelöscht, wie der kritische Kommentar Köhns. SPD-Frau Karin Höpfner, im CDU-Wahlkampfblatt verdächtigt, „alle Schlüsselstellungen in den städtischen Gesellschaften in der Hand zu haben“, ist ebenfalls verärgert. „Da könnte ich ja eigentlich mit geschwellter Brust durch Beelitz stolzieren“, meint sie mit bitterer Ironie. Auf verleumderische Details wolle sie nicht eingehen. Doch zumindest einige Tatsachenbehauptungen, die der SPD-Fraktion angelastet wurden, gelte es, richtig zu stellen. Wenn bekannt gegeben wird, dass 500000 Mark Fördermittel für den Umbau der Beelitzer Turnhalle zur Mehrzweckhalle „in den Sand“ gesetzt wurden, so stimme dies einfach nicht. „Es sind gar keine Fördermittel geflossen.“ Auch habe die Firma Bekina durch Sonderverträge mit der Stadt in den letzten 5 Jahren nicht 2 Millionen Mark gewonnen, sondern nur etwa 600000 Mark. Nicht der neue Tiedemann-Saal habe 1,1 Millionen Euro gekostet, sondern der Saal und das benachbarte Objekt, durch das monatlich Mieteinnahmen in die Stadtkasse fließen. Die anklagende Frage, wo das Kopfgeld des Innenministeriums für die freiwillige Fusion zur Großgemeinde geblieben sei, ist nicht nur für Höpfner längst beantwortet: „Jeder weiß, dass das Geld in den Haushalt und die Rücklagen der Ortsteile geflossen ist.“ „Es kann nicht sein, dass solche Schlachten jetzt zur Beelitzer Eigenart werden“, so Hartwig Frankenhäuser (FDP), der in dem Flugblatt unverdientermaßen zum „ungekrönten SPD-Pressesprecher“ gekrönt wird. Wenn man Einigkeit in der Großgemeinde wolle, müssten die Kommunalpolitiker den Anfang machen. Persönliche Diffamierungen wie die gegen seine Parteifreundin Thea Danders („ wirtschaftlich in Fichtenwalde am Boden “) seien da abträglich. „Wir sind durch solche Kampagnen so weit gekommen, dass man sich auf der Straße nicht mehr grüßt.“ Gestern entschuldigte sich CDU-Chef Mario Didschun bei den von dem Pamphlet betroffenen Personen. „Wir möchten betonen, das wir in der Vergangenheit mit dem UKB vertrauensvoll diskutiert und konstruktiv zusammengearbeitet haben. Deshalb möchten wir diese sachliche Zusammenarbeit fortsetzen und zum Wohle für die Stadt Beelitz ausbauen.“ Für Tilo Köhn kommt das Handeln des Ortschefs etwas zu spät. „Wenn er Vertrauen gewinnen will, muss er solche Flugblätter vorher verhindern.“ Vergleich mit Nazis und Stalin In Michendorf wurde in der Woche vor der Wahl gleich auf 72 Seiten mit Lehm geschmissen. CDU-Mann und Ex-Gemeindevertreter Andreas Jentzsch war es, der im Michendorfer Wahlkampf ausgewählte Opfer an den Pranger stellte. Ein paar Unterschiede zu Beelitz gibt es allerdings: Das Buch mit dem denkwürdigen Titel „Wahl- und Moralheimat Michendorf“ war nicht unter dem Signum der Michendorfer CDU erschienen. CDU-Ortschef Dr. Carsten Kumke distanzierte sich gestern in aller Deutlichkeit von dem „parteischädigenden Inhalt“. Einer der finsteren Höhepunkte dürfte die folgende Passage zum aktuellen, kommunalpolitischen Geschehen sein: „Aber sowohl von der Atmosphäre wie auch vom Vorgehen findet damit eine Rückkehr zu jenen repressiven Verhaltensformen und Machtausübungen statt, derentwegen der Nationalsozialismus, der Stalinismus und der stalinistische Sozialismus von den Bürgern schließlich beseitigt wurden.“ Die so angegriffene ist die ehemalige Amtsdirektorin und Bürgermeisterkandidatin Cornelia Jung. Der Vorgang, um den es geht: Jung habe es abgelehnt, das Protokoll einer Wilhelmshorster Gemeindevertretersitzung nach Sitzungsschluss zu ergänzen. Der „tatsächlich sehr kämpferische Abgeordnete Michael Soika“, ein Fraktionskollege Jentzschs in Wilhelmshorst, wollte eine Entschuldigung für beleidigende Äußerungen gegen Jung im Protokoll nachgetragen wissen. Jeder Kommentar erübrigt sich. Jung hat das Buch an ihren Rechtsanwalt geschickt. Und sie ist nicht die einzige, die sich juristischen Rat holt. Eine ganze Anzahl Kommunalpolitiker, die in dem Buch ebenfalls mit Schimpf und Schande bedacht wurden, tun es ihr nach. Doch so einfach ist Jentzsch wohl nicht beizukommen. Nur falschen Tatsachenbehauptungen, wie zum Beispiel, dass der Wilhelmshorster Ex-Bürgermeister Gerd Sommerlatte stellvertretender SED-Bürgermeister von Prenzlauer Berg war (er war Vorsitzender der Abteilung Agitation und Propaganda), kann man rechtlich begegnen, wie gestern von einem Juristen eingeschätzt wurde. Vieles würde als zugelassene Meinungsäußerung durchgehen – „zumal sich Personen der Zeitgeschichte presserechtlich etwas mehr bieten lassen müssen“. So könnte selbst eine Klage gegen den butterweichen Nazi-Stalin-Vergleich erfolglos bleiben. Rechtlich angreifbar ist neben falschen Tatsachen allerdings auch die amorphe Form der Buchveröffentlichung: Als Herausgeber des für 9,99 Euro in Michendorfer Geschäften vertriebenen Werks ist der „Linde Verlag Berlin“ angegeben, ohne Impressum, ausschließlich mit einer privaten Telefonnummer von Andreas Jentzsch. „Wo das Buch nun mal verkauft wurde, muss die Frage erlaubt sein, ob der Verlag seine Umsatzsteuer abführt“, so der Jurist, der namentlich nicht genannt werden will. Und in der Tat: Wer will schon zwischen solche Fronten geraten.

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