
© Kirsten Graulich
Potsdam-Mittelmark: Moll-Klänge für den Rhythmus der Stadt
Die neuen Glocken für Teltows Andreaskirche wurden eingeweiht. Zu Weihnachten sollen sie erklingen
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Teltow – Auch wenn ihr Klang noch auf sich warten lässt, gefeiert wurden die drei neuen Glocken für die Andreaskirche gestern trotzdem. Erst zu Weihnachten, wenn die Aufhängung im Turm angepasst worden ist, werden sie hochgezogen, um dann wieder über die Stadtgrenzen hinaus im f-a-d-Moll-Akkord zu erklingen. Eine Tonaufnahme vom einstigen Klang wurde während des Festgottesdienstes abgespielt und erhellte vor allem die Mienen derer, die sich noch an diesen Ruf erinnern konnten.
Lange Zeit war das Läuten nur noch in der Altstadt zu hören. Die große Stahlglocke musste schweigen, weil ihre Töne die Mauern des Kirchturms zu stark erschüttert hätten. Vor drei Jahren mussten auch die beiden anderen Glocken verstummen. Schon zu Beginn der Sanierungsarbeiten an der Kirche 2006 war klar, dass Kolosse ihren angestammten Platz nicht mehr einnehmen werden. Sie hatten bereits poröse Stellen, weil sich der Rost ins Eisen hineingefressen hatte. Nach über 80 Dienstjahren haben alle drei Glocken nun einen Ehrenplatz neben der Kirche erhalten.
Die neuen Bronzeglocken waren bereits vor Beginn des Gottesdienstes umringt. Die Inschriften wurden vom alten Geläute übernommen. Auf der kleinsten steht: „Seid fröhlich in Hoffnung“, auf der mittleren „Geduldig in Trübsal“ und „Haltet an am Gebet“ ist auf der großen Glocke zu lesen. Gegossen wurden sie in der Stadt Gescher in Nordrhein-Westfalen. Seit 1790 ist dort die Glockengießerei Petit & Gebrüder Edelbrock ansässig, die bereits in der 12. Generation mit dem traditionellen Lehmformverfahren arbeitet. Auch die berühmte Glocke „Johannes Paul II“, die vor vier Jahren von Papst Benedikt XVI. zum Weltjugendtag in der Kölner Basilika St. Aposteln eingeweiht wurde, stammt aus dieser Gießerei.
Eine Delegation des Teltower Gemeindekirchenrates war vor einigen Wochen dabei, als der Schmelzofen auf 1150 Grad aufgeheizt und mit der „Glockenspeise“ beschickt wurde, die aus 78 Prozent Kupfer und 22 Prozent Zinn bestand. Erst einige Tage später, nachdem die Formen ausgekühlt waren, wurden die Glocken von Kern und Mantel befreit. Auch musikalisch sind sie inzwischen geprüft worden.
„Viele Leute haben dafür gesorgt, dass die Stadt wieder ein Geläute erhält“, freute sich Pfarrerin Ute Bindemann über die zahlreichen Spenden, die auch am Sonntag die Kollekte füllten. 24 000 Euro sind bislang zusammen gekommen – auch von Bürgern, die nicht konfessionell gebunden sind, betonte Bindemann. Außerdem halfen viele gute Ideen, wie die eines Kunstdruckes von einem Gemälde Feiningers, dessen Verkaufserlöse dem Vorhaben gespendet wurden. Auch Hofkonzerte, Glockenbrot und –kekse trugen dazu bei, die Gesamtkosten von 30 000 Euro für alle drei Glocken aufzubringen. Weitere 17 000 Euro müssen noch in die elektrische Läutanlage und einen neuen Glockenstuhl investiert werden.
Pfarrer Matthias Blume, Vorsteher des Evangelischen Diakonissenhauses Berlin-Teltow-Lehnin, erinnerte in seiner Predigt an den Rhythmus einer Stadt, zu dem auch der Glockenklang gehöre, der „ein unsichtbares Band zwischen den Generationen knüpft“. Die Rolle der Glocke gehe weit über Taufe, Konfirmation und Hochzeit hinaus. Das Kommunikationssystem habe im Herbst 1989 den Bürgern den Rücken gestärkt, sagte Blume. Zum Kapitel der Teltower Stadtgeschichte gehört auch, dass die Andreaskirche 1536 die Reformation im Land Brandenburg einläutete. Seinerzeit hatten sich führende Adlige mit dem Brandenburger Bischof zum Protestantismus Martin Luthers bekannt.
Nach der gestrigen Weihe umrundeten die neuen Glocken auf einem Wagen die Kirche. Aus so dichter Nähe werden die Teltower sie künftig nicht mehr erleben können – dafür aber in ihrer vollen Klangbreite. Kirsten Graulich
Kirsten Graulich
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