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KulTOUR: Mondäner Badespaß

Eine Ausstellung im Schloss Caputh zeigt die legendären Ostseebäder des 19. und 20. Jahrhunderts

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Schwielowsee - Der Eintrag sitzt: „Eine untergegangene Welt, die hoffentlich nie wieder deutsch wird“, schrieb jemand ins Besucherbuch der Wanderausstellung „Zoppot, Cranz, Rigaer Strand - Ostseebäder im 19. und 20. Jahrhundert“, die derzeit im Anbau des Schlosses Caputh zu sehen ist. „Dumme Kuh!“, antwortete ein anderer, er wollte wohl das Gegenteil beweisen. Mit derart konträren Ansichten muss wohl rechnen, wer eine solche Ausstellung konzipiert, denn vielleicht ist die Vergangenheit ja noch gar nicht so richtig vergangen, und die Zukunft längst nicht gewiss?

Das „Herder-Institut Marburg/Lahn“ hat die Ostseebäder-Ausstellung mit der Frankfurter Viadrina-Universität und dem „Deutschen Kulturforum östliches Europa“ übernommen. Die Fotoschau ist nicht neu, das Zitat stammt von 2005, aber Einträge jüngeren Datums schwärmen von den Ostseeperlen zwischen Stettin und Kurischer Nehrung.

Ab 1793 entstand am deutschen Ostseestrand eine Bäderkette, die sich von Travemünde bis zur Ostgrenze des Kaiserreiches hinzog. Ob die Badeorte Zoppot, Cranz und Rigaer Strand exemplarisch anzusehen sind, sei dahingestellt, mondän und „bürgerfreundlich“ waren sie in jedem Fall, auch zogen sie Badegäste aus der Nachbarschaft an, aus Polen und Russland zum Beispiel, auch aus Sachsen: 1921 zählte Cranz mit seiner „legendären Brandung“ ihrer gleich 129!

Über die Liberalisierung der Badesitten (und die Kurische Nehrung) gibt es am kommenden Mittwoch 19 Uhr vor Ort sogar Vorträge. Man lernt also eine Menge aus den reich bebilderten Schautafeln, samt den überflüssigerweise nachkolorierten Diapositiven. Über Freizeit und Sport, über die ostseetypische Bäderarchitektur und die dazugehörende Kultur und Lebensweise, denn zu einem Kurbetrieb gehörten eben auch Konzerte, Ausstellungen, Musik. Manches davon wird erhalten und weitergetragen, vieles ist verschwunden. Vergangenes eben, die Orte haben heute andere Namen, und liegen gleich in drei fremden Ländern.

In Zoppot, dem „Weltbad an der Ostsee“, badete 1828 nicht nur Kronprinz Friedrich Wilhelm bei 16 Grad Wassertemperatur, um sich danach in der stattlichen Villa Seehaus aufzuwärmen. Hier gab es auch die Waldoper als „reichswichtige Festspielstätte“, wo man 1936 für den Parsifal gute Stehplätze bekommen konnte. Bedingung: kein Aufspannen von Schirmen, kein Rauchen, kein vorzeitiges Verlassen der Vorstellung. Rilke war hier, Döblin, Sienkiewicz. In Danzig nebenan wurde übrigens von 1922 bis 1942 ausschließlich Richard Wagner inszeniert. Ach, Nostalgia!

Bleiben eigene Gedanken, die Bilder von den idyllischen Fischerbooten am Zoppoter Strand, trocknende Riesenflundern an der Leine, eine Segelpartie auf der Kurischen Aa, der stolze Passagierdampfer „Seedienst Ostpreußen“ im Hafen von Pillau, eine „Cranzer Badezeitung“ von 1912, vom örtlichen Verlobungsweg erzählend, der 30 Kilometer lange Quarzsand-Strand am Rigaer Meerbusen, die Große Düne bei Nidden. Noblesses, Gewöhnliches, Natürliches.

Die Ausstellungsmacher haben sich ostentativ um Sachlichkeit und Korrektheit bemüht, was das Besucherbuch unterschiedlich reflektiert. Einer kritisierte die Zweisprachigkeit der Ortsnamen, ein anderer hofft, dass die Heutigen dort wissen, dass es vor 1945 bereits eine Geschichte in Ostpreußen gab. Bloß nicht anecken? Das lässt sich bei so einem Thema nicht verhindern. Gerold Paul

Die Ausstellung im Caputher Schloss, Straße der Einheit 2, ist noch bis zum 10. August dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr geöffnet.

Gerold Paul

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