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KulTOUR: Mose, Jonas und der Stammbaum Jesu

8. Nacht der offenen Kirche in Michendorf unter dem Motto „Humor in der Bibel“

Stand:

Michendorf - Er kam herein wie der Karl Valentin persönlich: lange schlaksige Gestalt, viel zu kurze Langhosen, ausladende Gesten. Die rote Knollennase verriet den Clown. Leo. Zur 8. Nacht der offenen Kirchen hatte die Kirchengemeinde Michendorf diesen skurrilen Typen am Pfingstsonntag mit seiner Dresdener Partnerin Almuth Grimmer (Keyboard) zu einer „clownesken Bibel-Lesung“ ins örtliche Gotteshaus eingeladen. Warum er so ungewöhnliche Späße treibt, verriet er dem Gemeindeblatt vorab: „Für mich ist es schön, auf diese Weise etwas von meinem Glauben zu erzählen.“ Damit es aber „wissenschaftlich-theologisch einwandfrei“ wird, lässt der Hallenser Steffen Schulz seine Texte von einem Fach-Mann prüfen, es muss wohl einer mit Humor sein.

Seine Stärke ist die Pantomime, die große Geste, das Spiel mit dem Publikum, wenn auch so viele zu der einstündigen Vorstellung nicht kamen. Zu suspekt? Sein Anliegen indes überzeugte nicht immer, vielleicht fehlt eine ordnende Hand, denn zwischen dem stummen Vorspiel und den vielen Bibelworten danach tat sich doch ein klarer Bruch auf, die kleinen Zaubertricks zwischendurch banden das nicht.

Zunächst war es etwas dürftig mit dem Lachen. Die alte Geschichte vom Turmbau zu Babel in 1. Moses 11. versuchte teils strieselnde Wortspiele, wozu er ein Kartenhaus baute und zerstörte. Sollte dieser Text tatsächlich Humor haben, so suchte ihn Leo wohl an der falschen Stelle. Nach einigen Takten auf dem Keyboard, eine Gershwin-Improvisation darunter, folgte die Lesung von Jonas und der Stadt Ninive. Bibelfeste wissen natürlich Bescheid: Es geht um die Annahme eines göttlichen Auftrags und darum, dass Gott seinen Willen umkehren kann, wodurch der Prophet selbst in Bedrängnis gerät. Humor? Jawollo, doch außer einem herbeigezauberten Besen und einem Fischlein, der Leos Mund entfleuchte, war es auch hier mit dem Lachen sehr dünn.

Jesu ellenlanger Stammbaum hingegen, wie in Matthäus 1. zu finden ist, hatte die gewünschte Qualität, weil hier eine Idee wirkte – das Lesen in crescendo. Gleichfalls die Geschichte von den Arbeitern im Weinberg (Matth. 20), sie wurde mit pantomimischem Pfiff vorgeführt. Um letztlich Jesu Vollmacht nach Matth. 21. darzustellen, holte Leo sich drei Damen aus dem Publikum. Nachdem die eine Flanke des Gestühls immer rascher das Wort „Voll“, die andere „Macht“ zu rufen hatte, wie es auf den Seiten seines Koffers stand, antwortete die Gruppe vorne: „Wir wissen es nicht“! Hübsch, als er dann verschmitzt pointierte: „Ph, dann sage ich euch meine Vollmacht auch nicht!“

Steffen Schulz begründet seine eigene so: Ob Gott Humor habe, wisse auch er nicht, wohl aber, dass er „gerne lacht“. So steht es ja auch schon bei „Faust“ im himmlischen Prolog: „Von allen Geistern, die verneinen, ist mir der Schalk am wenigsten zur Last.“ Tröstlich also zu wissen, dass die Heilige Schrift tatsächlich humorvolle Stellen bereithält, nur trauen sich die wenigsten Pfarrer, davon Gebrauch zu machen, sie wolle schließlich „ernst genommen“ werden.

Aber sagte denn Luther nicht, „das Evangelium kann nicht ohne Humor gepredigt werden“? Es geht also, wenn mans nur richtig anpackt, sogar mit Swing- und Polkabegleitung, Avantgardist und Mutmacher Leo hatte ja „theologisch“ auch nichts infrage gestellt. Nach seinem Vortrag wurde vor Ort der schwedische Film „Miffo – da braut sich was zusammen“ gezeigt. Wieder eine gelungene Nacht in der Kirche zu Michendorf.

Gerold Paul

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