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KulTOUR: Muntere Intrige

Theater Comédie Soleil eröffnete in ausverkauftem Haus seine neue Bühne in Werder

Stand:

Werder (Havel) - Buntes Herbstlaub und eine barock gemalte Sonne begrüßten am Freitagabend die Gäste im ehemaligen Kaufhaus zu Werder gleich beim Entree. Treppauf zur ersten Etage rot-schwarze Wände, dazu wie als Logo ein maskiert tanzender Harlekin: Die Comédie Soleil bat zur Doppelpremiere, denn nach manchen Irrungen und Wirrungen eroberten sich diese hart erprobten Theaterleute ein neues Zuhause.

Alles hat sich ja gedreht: Aus der Großstadt ist eine kleine geworden, aus Rathaus-Bittgängen verständnisvolles Entgegenkommen, statt des unfreundlichen Vermieters in Potsdams Feuerbachstraße bekamen sie einen kunstinteressierten in Werder, der selbst mit anpackte, damit zur Premiere von Shakespeares „Was Ihr wollt“ auch alles fertig wurde.

Michael Klemms neues Theater besteht aus einem großen Raum, längsseits durch Säulen geteilt. Linkerhand mit Tischchen und Tresen der gesellige Teil, rechts Bühne und Zuschauerort, gerademal fünf Meterchen breit, und durch einen bordeauxroten Vorhang voneinander geschieden. Auch hier sind Rot-Schwarz die herrschenden und ziemlich noblen Farben. Geraffte Vorgänge in Tiefrot mit mikadoartigen Ringelstützen bedeuten die Bühne von ziemlicher Tiefe. Der Strohballen vorn einziger Spielort davor.

Es ist eng, die Zuschauergasse muss notgedrungen für Auf- und Abgänge dienen. Hier also geschieht jener stückeröffnende Schiffbruch, welcher das Zwillingspaar Viola (Nadja Winter) und Sebastian (Julita Witt) vor Illyriens Küste trennt. Jeder der „in einer Stunde geborenen“ hält den anderen für tot. Viola nimmt in männlicher Kleidung als Cesario Dienst bei Herzog Orsino. Nun liebt jeder den, den er nicht lieben kann oder soll: Der Herzog (Florian Wilke) will die langgewachsene Gräfin Olivia (Michaela Wrona), diese aber begehrt den kleineren Cesario.

Nimmt man das von Shakespeare gesetzte und das wahre Alter der Magd (Irmi Gillitzer a. G.) hinzu, so ließe sich aus solchen Differenzen noch einiges machen. Auch Olivias Haushofmeister Malvolio (Felix Sommer, kaum eingebildet) macht sich heimlich Hoffnung auf sie, was nun so schöne Buffo-Figuren wie den einfältigen Junker Christoph (Horst Wüst als Gast) und Tobias (Michael Klemm) animiert, ihm einen gehörigen Streich zu spielen.

Freilich deckt die Munterkeit ihrer Intrige den Hauptkonflikt des Stückes zu, am Dreikönigstag (Epiphanias) finden alle Töppe trotzdem ihren Deckel. Schalkhaft bleibt es, den Adel so blass, die Chargen darunter lebendig zu zeichnen! Gespielt wird in Renaissance-Kostümen und im tastenden Versuch, dem neuen Publikum ein „Was Ihr wollt“-Erlebnis zu verschaffen.

Rechnet man die Belastungen der letzten Wochen hinzu, so ist die mit neunundneunzig Plätzen ausverkaufte Premiere ein riesiger Erfolg und zudem mit einem Fünfakter auch das größte, was die Comédie bisher produziert hat. Freilich müssen Bühne oder Parkett erhöht werden, sonst sieht man nicht viel.

Der Bau- und Malerstress bleibt erkennbar: Nach gutem Beginn wird es dann dünner, das Finale erreicht bisher den Status „Steh-Theater“. Manches (Christian Hiemers Narren- und Spruchweisheiten) muss sprachlich, anderes szenisch auf den Punkt gebracht werden, etwa die Verwechslungs- und Wiederfindungs-Geschichten der Zwillinge, auch dem liebeskranken Herzog glaubt man kein Wort. Die lebendige Anlage der Inszenierung lässt sehr viel mehr zu. Viel Beifall nach gut drei Stunden zur Herbstlaubzeit, Blumen und Sekt.

Weitere Vorstellungen vom 4. bis 6. Dezember, nächste Premiere am 13. November um 19.30 Uhr mit der Uraufführung: von „Whale songs“ von C.Silberstein. Im Internet unter comediesoleil.com

Gerold Paul

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