Ufa-Filmnächte zeigen Murnaus letzten Film: Murnaus Fluch und andere Tabus
Bei den Ufa-Filmnächten in Berlin wird "Tabu" (1929/30) gezeigt, der letzte Film des Regisseurs Friedrich Wilhelm Murnau. Bei den Dreharbeiten kam es offenbar zu Tabubrüchen.
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Stahnsdorf / Berlin - Sein Kopf ist immer noch verschwunden, jetzt wird bei den Ufa-Filmnächten in Berlin mit „Tabu“ der letzte Film des Stummfilmregisseurs Friedrich Wilhelm Murnau (1888-1931) gezeigt. Es handele sich um den Film, bei dem sich Murnau einen Fluch eingefangen habe, der „ihm nicht nur das Leben kostete, sondern wahrscheinlich kürzlich auch seinen Schädel“, so Ufa-Sprecher Kristian Müller etwas gallig.
Wie berichtet war Murnaus Kopf im Juli aus einer Familiengruft auf dem Stahnsdorfer Südwestkirchhof gestohlen worden. Was es mit dem vermeintlichen Fluch und den Tabubrüchen um den berühmten Filmregisseur auf sich hat, in die sich der Schädelklau womöglich einreiht, erläutert der Kurator der Filmnächte, der bekannte Filmwissenschaftler Friedemann Beyer, gegenüber den PNN.
Murnau missachtete Warnungen der Polynesier
„Tabu“ wurde auf Tahiti und Bora Bora gedreht, feierte 1931 Premiere und hatte als Südsee-Melodram großen Erfolg. Es ist die Geschichte eines Perlentauchers, der sich in eine junge Insulanerin verliebt. Doch die wird vom Oberhäuptling zur göttlichen Jungfrau erklärt. Dass sie damit für ihn unerreichbar, also tabu wird, will der Perlentaucher nicht hinnehmen.
Murnau habe während der Dreharbeiten ein Haus in unmittelbarer Nähe zu einem archaischen Gräberfeld bauen lassen, so Beyer. Er missachtete dabei die Warnungen der Polynesier. „Als bei einem Nacht-Dreh eine Magnesiumfackel explodierte und ein Crewmitglied dabei schwer verletzt wurde, haben die Einheimischen darin ein Zeichen gesehen, dass Murnau sich über ein Tabu hinweggesetzt hat“, so Beyer. Der Vorfall sei in einer deutschen Illustrierten in einem Text geschildert worden, der unter Murnaus Namen veröffentlicht wurde, und habe in den Medien der damaligen Zeit seinen Niederschlag gefunden.
Murnau erlebte die Premiere aber nicht mehr
Der angebliche Fluch bot auch Stoff für Murnaus plötzlichen Tod: Zurück in den USA verstarb der bekannte Regisseur bei einem Autounfall an einer Kopfverletzung, erzählt Beyer. Die beiden anderen Insassen hätten lediglich Blessuren erlitten. „Die Premiere seines letzten Films erlebte er nicht mehr.“ Die Legenden um die Dreharbeiten wurden danach in zahlreichen Veröffentlichungen dokumentiert, wobei als Tabubruch jener Jahre auch immer wieder die Homosexualität Murnaus angesprochen wird.
„Es gab möglicherweise jemanden, der diese Mysterien instrumentalisiert hat“, sagt Beyer mit Bezug auf den Schädelklau. „Es ist mir unmöglich nachzuvollziehen, aus welchen Motiven.“ Er wolle zwar nicht atavistischem Aberglauben das Wort reden, wie Beyer betont. Die Vorfälle bei den Dreharbeiten, die Reaktion der Eingeborenen, Murnaus Unfalltod und nicht zuletzt der Diebstahl seines Schädels seien dokumentierte Fakten. „Das hat wenig Bewandtnis für die Filmwissenschaft, bleibt aber ein Kuriosum.“
Okkultismus bei "Tabu" und "Nosferatu"
Okkultismus sei eben nicht nur Thema in Murnaus heute bekanntestem Werk „Nosferatu“ gewesen, sondern gerade auch in „Tabu“, sagt Beyer. Der Film wird am Donnerstag – neu vertont – auf der Berliner Museumsinsel gezeigt, Schauspieler Joachim Król wird eine Einführung geben. Laut Beyer wurde für die Filmnächte eine neue Musik für den Stummfilmklassiker komponiert, die durch das eigens zusammengestellte Ufa-Filmorchester erstmals zur Aufführung gelangt.
Murnau habe sich gewünscht, den Film mit polynesischer Folklore zu unterlegen, erzählt der Filmhistoriker. „Die Verleiher setzen damals eine zeittypische, pompöse, symphonische Musik durch.“ Der Wiener Komponist Florian C. Reithner habe jetzt mit einer neuen musikalischen Fassung versucht, sich Murnaus Wünschen anzunähern, und Elemente polynesischer Volksmusik eingeflochten.
Meisterwerk der Stummfilmzeit
„,Tabu’ ist ein Meisterwerk der späten Stummfilmzeit, es war überfällig, ihn bei den Ufa-Filmnächten zu zeigen“, so Friedemann Beyer, der die Veranstaltung zum vierten mal kuratiert. Außerdem werden „Ihr dunkler Punkt“ (1928) von Johannes Guter, eine Komödie mit Lilian Harvey und Willy Fritsch, sowie „Die Abenteuer des Prinzen Achmed“ gezeigt. Bei dem 1926 in Potsdam entstandenen Streifen von Lotte Reiniger handelt es sich nach Ufa-Angaben um den weltweit ersten abendfüllenden Animationsfilm. „Die Ufa-Filmnächte bleiben auch im fünften Jahr des Bestehens ihrer Linie treu, Filmgeschichte in architektonisch-historischer Einbettung zu zeigen“, so Ufa-Sprecher Müller. 2011 noch vor der Orangerie von Sanssouci, dann auf dem Schinkelplatz in Berlin-Mitte, zogen die Filmnächte 2014 auf den Kolonnadenhof der Museumsinsel vor der Alten Nationalgalerie.
20. August: „Tabu“, 21. August: „Ihr dunkler Punkt“, 22. August: „Die Abenteuer des Prinzen Achmed“. Einlass jeweils ab 20.30 Uhr, Vorstellungsbeginn ab 21 Uhr. Karten für 15 Euro unter der Internetseite der Filmnächte oder Tel. (030) 4430 4430.
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