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Entschieden. Das Grundstück geht zurück an die Sabersky-Erben.

© Kirsten Graulich

Potsdam-Mittelmark: Nach langem Streit

Seehofer Wäldchen an Sabersky-Erben übergeben. Stadt hat Verfassungsbeschwerde eingereicht

Teltow - Der Nachtragshaushalt ist eigentlich erst im September dran, aber ein Konto in Teltows Stadtkasse muss dringend aufgestockt werden: die Gerichts- und Anwaltskosten. 120 000 Euro waren in diesem Jahr eingeplant, doch auf der jüngsten Stadtverordneten-Sitzung wurden noch einmal 100 000 Euro außerplanmäßig bewilligt. „Wir haben einige Prozesse verloren“, erklärte Bürgermeister Thomas Schmidt (SPD). Wie erst jetzt bekannt wurde, zählen dazu auch zwei Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht, bei denen es um die Rückübertragung jüdischen Eigentums im Ortsteil Seehof geht.

Schon im Januar hatten die Leipziger Richter ihr Urteil zugunsten der Erben Valerie und Peter Sonnenthal gefällt, die nun nach jahrelangem Rechtsstreit im Besitz zweier Waldstücke entlang der Lichterfelder Allee sind. Konkret handelt es sich dabei um die Abschnitte zwischen Hauff- und Hannemannstraße sowie dem Wäldchen, das von der Hannemannstraße bis zur Kita „Felsenbirne“ reicht, wie Kämmerer Enrico Kasten in der Sitzung bekannt gab. Ein weiteres Verfahren zu einem Grundstück in Seehof rund um die sogenannte „Liebesinsel“ ist noch offen. Auf etwa 96 000 Euro belaufen sich zurzeit die Kosten für den Rechtsstreit: Mit dem aktuellen Urteil will sich die Stadt nicht zufriedengeben. „Wir haben eine Verfassungsbeschwerde eingereicht“, so Schmidt vor den Stadtverordneten.

Der Gesamtkomplex „Teltow Seehof“ – eines der größten Restitutionsverfahren in Ostdeutschland – ist überwiegend rechtskräftig abgeschlossen. Die Familie Sabersky hatte das 84 Hektar umfassende Gut Seehof 1870/71 erworben. Nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten verkauften sie ihren Grundbesitz bis 1939. Um Baurecht für die neue Siedlung zu erhalten, waren 25 Prozent der Fläche für öffentliche Zwecke an die Stadt abzutreten, aus Sicht der Stadt ein damals übliches Prozedere. Der Vertragsabschluss war 1934 zustande gekommen. Im Rechtsstreit um diese vier Hektar Grün- und Waldfläche ging es um die Frage, ob das zwangsweise geschah, weil die Saberskys Juden waren. Bei anderen strittigen Grundstücken einigten sich die heutigen Eigentümer außergerichtlich mit den Erben.

Als Peter Sonnenthal 2006 seine städtebaulichen Vorstellungen für das Waldgelände vorstellte, kam es zum Eklat. Vor allem Seehofer Bürger protestierten. Sie argumentierten, der Wald sei ein Schall- und Geräuschschutzdamm, zugleich schütze er vor Wind und sei ein Sauerstoffspender. Dem pflichtete auch die Stadt bei und berief sich auf den Flächennutzungs- und Landschaftsschutzplan. Sogar ein Aufstellungsbeschluss für einen B-Plan wurde seinerzeit heftig diskutiert. Doch die CDU-Fraktion favorisierte statt eines umfassenden Planwerkes mehrere kleine separate B-Pläne – aus Kostengründen. Denn die veranschlagten 100 000 Euro für einen B-Plan waren den Christdemokraten zu viel.

Dagegen berief sich Peter Sonnenthal bei seinem städtebaulichen Konzept auf eine Masterplanung seiner Familie, die sie in der Nazizeit nicht mehr umsetzen konnte. Zudem berücksichtige der Flächennutzungsplan die Belange seiner Familie nur ungenügend, meinte Sonnenthal seinerzeit.

Der folgende Streit war reich an Vorwürfen, Polemiken und juristischen Scharmützeln. Schließlich klagte die Stadt gegen die Rückübertragung. 2009 appellierte das Potsdamer Verwaltungsgericht an die Stadt „ein starkes Signal zu geben und auf die Klage zu verzichten“, um Unrecht wiedergutzumachen. Zudem riet der Richter dem Bürgermeister, die planungsrechtlichen Instrumente zu nutzen, um eine Bebauung des Waldes zu verhindern. Doch Bürgermeister Schmidt wollte es seinerzeit den Stadtverordneten überlassen, die Planungen auf den Weg zu bringen. Das haben die Verordneten bislang nicht getan. Der Wald sei bereits übergeben worden, erklärte Schmidt. „Wie Sonnenthal damit umgehen wird, werden wir dann ja sehen.“ Kirsten Graulich

Kirsten Graulich

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