
© Tobias Reichelt
Potsdam-Mittelmark: Nackte unter dem Heu
Die Künstlerin Frauke Schmidt-Theilig hat das Teltower Mattausch-Haus umgebaut und Schätze entdeckt
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Teltow - Das Papier ist vergilbt, aber die feinen Bleistiftstriche haben ihre Anziehungskraft über die Jahre nicht verloren: Unschuldig blickt eine splitterfasernackte Dame mit hochgestecktem Haar aus dem Bild heraus. Auf dem nächsten sitzt sie adrett auf einem Thron. „Die habe ich unter einem Berg Stroh hervorgezogen“, sagt Frauke Schmidt-Theilig und blättert weiter durch die fast 100 Jahre alten Aktzeichnungen. Auch Männer sind zu sehen. Lasziv auf dem Boden liegend warfen sie sich einst für den Teltower Maler August Mattausch in Pose.
Bei Umbauarbeiten in dem früheren Wohnhaus des Künstlers in der Teltower Altstadt hat die Stahnsdorfer Malerin Frauke Schmidt-Theilig die Zeichnungen entdeckt. Im Februar sollen sie zusammen mit Aktbildern, gemalt von verschiedenen Künstlern der Region, in dem denkmalgeschützten Künstlerhaus in der Alten Potsdamer Straße 5 gemeinsam ausgestellt werden. Es soll der Auftakt einer Reihe von wechselnden Ausstellungen werden, die Schmidt-Theilig dem Teltower Künstler in dem zu ihrem Atelier umgebauten Weberhaus widmen will.
Vor drei Jahren hatte die vierfache Mutter das denkmalgeschützte Gebäude aus dem 18. Jahrhundert in der Altstadt erworben. Mit der 55-Jährigen sollte endlich wieder Kunst in eines der ältesten Häuser Teltows einziehen. Mattausch selbst lebte hier bis zu seinem Tod am 12. Juni 1945. Die Malerin kaufte den Bau und begann ihn zu sanieren. Atelier samt Künstlerhof, eine Werkstatt für die Malerin und ihre Kunstkurse sind entstanden, an einer Ferienwohnung im Nebengelass wird noch gearbeitet.
„Wir dachten immer, irgendwann finden wir einen Schatz“, erzählt die Künstlerin von den Bauarbeiten. Dass es dann mehrere waren und die auch noch nackt – damit hatte sie nicht gerechnet. Heute verwaltet Schmidt-Theilig die Sammlung Mattauschs, eine Aufgabe, die ihr mit dem Kauf des Hauses übertragen wurde. Abgesehen von den Aktbildern fanden sich auch andere historische Überbleibsel des Malers, wie sein alter Tabakbeutel, eine Briefmarkensammlung, alte Teddybären und Mattauschs Staffelei.
In Teltow hat der Künstler deutlich größere Spuren hinterlassen: Mattausch schuf neben dem alten Stadtwappen auch die Verzierungen in der Andreaskirche an Empore, Gestühl, Säulen und Kanzel. Die Stadtverordneten benannten ihm zu Ehren den Bürgerpark um.
Nur wenige Schritte vom Park entfernt steht das kleine Weberhaus mit dem roten Ziegeldach. Frauke Schmidt-Theilig und ihr Mann Roman haben viel Schweiß, Herzblut und Geld in das Haus gesteckt, das auch im Film „Die Lehrerin“ mit Anna Loos und Axel Prahl zu sehen war. „Wir dachten, so ein kleines Haus, das geht schnell zu sanieren.“ Doch es kam anders: Zahlreiche Holzbalken des 1731 erbauten Fachwerkhauses waren zerfressen, die Lehmwickeldecken hatten sich durchgebogen. „Wir haben das Haus im alten Duktus nachgebaut.“ Der Giebel wurde erneuert und verputzt, das Dach denkmalgerecht hergestellt.
Auch im Inneren hat sich viel getan: Lagen die alten Fußbodendielen noch auf Sand, schützt das Haus von unten nun eine dicke Schicht Beton. Neue Fenster und Türen wurden montiert, die Innenwände mit Lehm verputzt. Die Malerin selbst ackerte, bis sie kaum noch einen Pinsel halten konnte. Auch die Ersparnisse für die Rente flossen in das Haus.
Trotz alledem ist die Künstlerin glücklich. Glücklich mit dem Haus und auch, wie sie von der Stadt aufgenommen wurde. Schmidt-Theilig erhält viel Unterstützung vom Rathaus und darf mit den zum Teil großflächigen Werken aus ihren Kinder-Kunstkursen sogar Bauten in der Altstadt schmücken.
Obwohl es an Haus und Hof noch einiges zu tun gibt, ist es bereits geöffnet. Die Stahnsdorferin hat viele Hundert Portraitzeichnungen und Gemälde hineingeräumt. Wer will, kann immer dienstags zwischen 15.30 und 20.30 Uhr vorbeischauen und einen Blick auf die neuen und alten Werke werfen. Tobias Reichelt
www.atelier-im-mattauschhaus.de
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