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Potsdam-Mittelmark: Narrenfreiheit für den Rittersporn

Zum Tag der offenen Gärten: Magische Blautöne bei der Familie Reichelt in Stahnsdorf

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Stahnsdorf - Der Fingerhut verbeugt sich tief nach dem nächtlichen Starkregen, doch einige Stauden des Rittersporns brauchten Unterstützung, weshalb ihnen eine Schnur am Gartenzaun Halt gibt. Den magischen Blautönen der Riesenkerzen konnte sich kaum ein Besucher entziehen, der am Samstag der Einladung in den Familiengarten von Barbara und Peter Reichelt nach Stahnsdorf gefolgt war. Vielleicht ist es die positive Grundstimmung, die den Gast beim Betrachten der lichtblauen Blüten erfasst, und die Barbara Reichelt wohl dazu brachte, dem Rittersporn in ihrem Garten „Narrenfreiheit“ zu geben, wie sie selbst sagt. Denn auf welchem Fleck er sich auch aussät, er darf stehen bleiben.

Nur einige Meter entfernt legt sich blauer Lavendel zu Füßen einer rosafarbenen Stockrose, gleich daneben ein kleines Erdbeerbeet. Durchaus passend, denn Erdbeeren zählen zu den Rosengewächsen. Damit das ungezwungene Treiben von Sommerblumen, Stauden, Kräutern und Gemüsepflanzen nicht zu unruhig wirkt, rahmen Buchshecken die Beete ein, und diese Rahmen bleiben übers ganze Jahr – nur die Bilder darin verändern sich.

Solche Mischkulturen nach dem Vorbild traditioneller Bauerngärten sind auch heute noch sinnvoll und gut, weil der Düngevorrat im Boden optimal ausgenutzt wird. Trotz des Buchs-Reglements wird manchen Pflanzen die Standortentscheidung auch selbst überlassen, wie dem Dill, der sich keck zwischen ein paar Gehwegplatten behauptet. Im hinteren Teil des Gartens, der an Wiesen angrenzt, erklettert eine weiße Rambler-Rose einen Apfelbaum und verhilft ihm so zu einer zweiten Blütezeit. Daneben stehen Kartoffelpflanzen der Sorte „Linda“ kerzengerade Spalier. Die hat der neunjährige Sohn Richard unter seiner Obhut und „rettet“ somit die beliebte Knolle, die nach über 30 Jahren vom Markt genommen wurde. Gegenüber kann eine Strauchrose weiße Margeriten und Frauenmantel zu ihrem Hofstaat zählen, der freilich gebührenden Abstand halten muss.

Wieviel Stunden sie täglich im Garten verbringen, hat bei Reichelts bisher niemand nachgerechnet. „Denn hier“, lacht Barbara Reichelt und macht dabei eine kreisende Handbewegung über das rund ein Hektar große Areal, „wohnen wir ja“. Unterm Nußbaum, nahe dem Haus, ist ein Sitzplatz, von dem man den besten Blick ins grüne Paradies hat. Das Grundstück hatten 1894 Barbara Reichelts Urgroßeltern erworben. Lange Zeit war es ein Wirtschaftshof, auf dem es auch Hühner und Schweine gab. Seit sie am Rockzipfel der Großmutter hängend, durch den Garten wanderte, habe sie die Liebe zu Pflanzen nicht mehr losgelassen, erzählt Barbara Reichelt, die heute Gärtnerin ist. Da die Leidenschaft allerdings hauptsächlich den Blumen galt, habe die Großmutter oftmals gestöhnt, weil die Blütenschönheiten dem Gemüse den Platz wegnahmen. Mohnblumen gehören zu den Favoriten der Gärtnerin und blühen auch in ihrem Garten in vielerlei Farben. Nicht nur von der Leuchtkraft ist sie beeindruckt, sondern auch von den zarten Blütenblättern, die wie dünnes Seidenpapier aussehen. Dem „Alten Fritz“ muss das wohl auch gefallen haben, weshalb er sie zu seiner Lieblingsblume erkor, weiß Barbara Reichelt.

Bei den über 100 Gartenbesuchern waren Pflegetipps besonders gefragt. Dazu gehören Brennessel- und Schachtelhalmjauche, um Pflanzen gegen Schädlinge zu stärken und gleichzeitig zu düngen. Auch ein Kaltauszug mit allerlei Kräutern wie Löwenzahn und Gänseblümchen hilft, wenn man sie 12 Stunden in Regenwasser einweicht und diese Brühe anschließend verdünnt. Dass Schnecken bei der Ernte meist schneller sind als die Gartenbesitzer ist ein leidiges Thema, und von der nächtlichen Invasion der Schleimer werden auch Reichelts nicht verschont. Aber dass die Fressgier vor dem Erdbeerfeld Halt mache, ließ aufhorchen, und Peter Reichelt erklärte, dass es den Schnecken dort schwer gemacht werde über den Boden zu kriechen, weil der mit geschreddetertem Heckenschnitt abgedeckt wurde.

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Kirsten Graulich

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