Potsdam-Mittelmark: Närrische Gemüseproduktion
Die Glindower Karnevalisten feiern ein halbes Jahrhundert Vereinsgeschichte
Stand:
Die Glindower Karnevalisten feiern ein halbes Jahrhundert Vereinsgeschichte Von Hagen Ludwig Werder · Glindow - „Kulturgruppe der Betriebssportgemeinschaft Eintracht Gemüseproduktion“ – hinter dieser Bezeichnung verbarg sich zu DDR-Zeiten der Glindower Karnevalsverein. Genau vor 50 Jahren wurde er gegründet, und für sein närrisches Treiben gab es eigentlich keinen Platz im System der sozialistischen Kulturhierarchie. Dennoch wurden die Karnevalisten geduldet, später sogar regelmäßig angeleitet vom Rat des Kreises. Dazu gab es kleine Broschüren mit Programmempfehlungen und Beispielen für moderate Büttenreden. Anfang der 70er Jahre habe zu einer Karnevalsveranstaltung im „Deutschen Haus“ eine Runde ortsfremder junger Männer in fast identischen Anzügen ganz vorn am Tisch 1 aufmerksam das Programm verfolgt. Doch auch dieser Kontrollbesuch wäre ohne Folgen geblieben, erinnerten sich die ehemaligen Präsidenten des Glindower Carnevals Clubs (GCC), Horst Haseloff und Wolfgang Firl, gestern im Gespräch mit der Presse an ein halbes Jahrhundert närrischer Vergnügungen. „Wir wollten hauptsächlich unseren Spaß haben, große Politik spielte bei uns nie die Hauptrolle“, sagt Firl. Als „Gemeindediener“ steigt er seit Jahrzehnten in die Bütt und spießt Unzulänglichkeiten auf, Schlaglöcher, fehlende Straßenbeleuchtung und andere Dinge, die direkt vor der Haustür liegen. Manchmal hat die lustige Kritik sogar etwas bewirkt, registriert wurde sie fast immer. Der letzte Glindower Vorwende-Bürgermeister habe ihn sogar einmal aufgefordert, seine Bütt im Gemeinderat zu wiederholen und dazu Stellung zu beziehen, erzählt Firl. Wie das karnevalistische „Virus“ einst nach Glindow kam, weiß Gerhard Seeger als Gründungsmitglied und erster GCC-Prinz zu berichten. Sein Schwager Heinrich Schneider stammte aus dem Rheinland und arbeitete nach dem Krieg in der hiesigen Gemeindeverwaltung. Jedes Jahr sei er schon im November unruhig geworden, wenn die neue Karnevalssaison nahte. Schnell steckte er damit auch andere Glindower an, die dem Karneval in Glindow eine feste Heimat gaben, auch für die Zeit nach dem tragischen Tod des gebürtigen Rheinländers bei einem Verkehrsunfall im Jahre 1954. Bis zur Wende hatten die Glindower Karnevalisten ihre Hochburg im Saal des „Deutschen Hauses“. Hier war Horst Haseloff als Gastwirt und GCC-Präsident praktisch zweifacher Hausherr. Dann folgte der Umzug in die Porta Helena direkt am Glindower See. Hier begeistert der GCC nun jährlich mit niveauvollen Programmen seine Gäste aus nah und fern. Besonders stolz ist der aktuelle Präsident Karl-Heinz Lutze auf die Nachwuchsförderung des Vereins. Von den heute 120 Mitgliedern sind ein Drittel Kinder und Jugendliche, die in den Nachwuchstanzgarden „Kirschblüten“ und „Früchtchen“ und schließlich bei der Funkengarde tanzen. Hinzu kommen die etwas reiferen Semester der „Pepper-Girls“und der „Alten Garde“ sowie das Männerballett „Die Goldenen 7“ – insgesamt 60 Tänzer, die schon viele Preise bei karnevalistischen Tanzsportwettbewerben auf Landes- und Bundesebene errungen haben. Ganz vorn mit dabei ist seit 5 Jahren Tanzmariechen Nancy Krause. „Die Gäste erwarten heute von uns eine nahezu professionelle Revue, und es fällt schon schwer, jedes Jahr noch eine Steigerung zu bringen“, räumt Präsident Lutze ein. Über das Thema für die 50. Saison brauchten die Karnevalisten indes nicht lange nachzudenken. Hier geht es vor allem um einen augenzwinkernden Rückblick auf das vergangene halbe Jahrhundert. Zur großen internen Festsitzung am 12. November werden Abordnungen von 15 befreundeten Vereinen erwartet. Mit von der Partie sind dann auch die Partner vom Karnevalsclub Kamp-Bornhofen am Rhein. So hingebungsvoll wie dort feiere man bis heute in Glindow noch nicht, gibt Lutze zu. Im Havelland werde der Karneval wohl immer „ein bisschen preußisch bleiben“.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: