Einwohnerversammlung über Flüchtlingsbleibe in Michendorf: Neonazis kamen nicht rein
In einer Schul-Turnhalle in Michendorf sollen ab kommender Woche 100 Flüchtlinge untergebracht werden. Nun gab es eine Einwohnerversammlung dazu - Neonazis mussten aber draußen bleiben.
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Michendorf - Polizei und Gemeinde haben bei einer Bürgerversammlung am Mittwochabend in Michendorf womöglich einen Eklat verhindert: Ein knappes Dutzend Mitglieder der rechtsextremen Partei „III. Weg“ hatten versucht, Einlass zu einer Einwohnerversammlung zum neuen Flüchtlingsheim zu bekommen. Angeführt wurde das Grüppchen von Maik Eminger, einem bundesweit vernetzten Neonazi, der mit den Aktivitäten des „III. Wegs“ derzeit versucht, Fuß zu fassen in der Region.
Knapp 20 Polizisten waren zur Amtshilfe für die Gemeinde angerückt, um massive Störungen oder Straftaten gebenenfalls zu unterbinden, sagte ein Polizeisprecher. Doch so weit kam es nicht. Gegenüber Polizei und Ordnungsbehörde äußerte das Neonazi-Grüppchen, bei der Versammlung öffentlich die Meinung kundtun zu wollen. „Wir haben von unserem Hausrecht Gebrauch gemacht“, sagte Bürgermeister Reinhard Mirbach (CDU) am Donnerstag gegenüber den PNN. Für die Einwohnerversammlung hätten nur Bürger der Gemeinde und Eltern Michendorfer Schüler Zutritt gehabt, nicht aber politische Organisationen. „Der Schwerpunkt lag ja auf der Information.“
Flugblätter landeten in Briefkästen und an Windschutzscheiben
Dennoch landeten Flugblätter des „III. Wegs“ in Briefkästen von Bürgern und an den Windschutzscheiben der Autos auf dem Parkplatz des Gemeindezentrums, in dem die gut 350 Michendorfer am Mittwochabend sachlich über die neue Situation diskutierten. Währenddessen wird auf den Flugblättern vor den „zahllosen kulturfremden Menschen“ gewarnt, die „mit den hart erarbeiteten Steuermitteln deutscher Bürger hier auf ewig durchgefüttert“ würden. Strafrechtliche Relevanz habe der Inhalt nicht, wie es aus der Polizeidirektion West am Donnerstag hieß.
Wie berichtet müssen in der Turnhalle des Gymnasiums ab nächstem Donnerstag vorübergehend 100 Flüchtlinge untergebracht werden. Gemeinde, Schule und Sportvereine waren darüber vergangene Woche kurzfristig informiert worden, die Halle wird bereits umgebaut. Von vielen Bürgern gab es am Mittwochabend Unterstützungsangebote. So will die Michendorfer Allgemeinmedizinerin Anika Petrausch bei der medizinischen Versorgung helfen. Ihre Tochter, Schülerin des Gymnasiums, erklärte, gern auf den Sportunterricht zu verzichten, wenn damit Menschenleben gerettet werden.
"Notunterkunft Turnhalle" keine Wunschlösung
Die Pflegeschwester Ingrid Schüßler, die sich bereits in anderen Flüchtlingsheimen engagiert, will auch in Michendorf ehrenamtlich aktiv werden. Die Umweltpädagogin Nicole Meyerdirks will im Sommer einen Workshop für die Flüchtlingskinder anbieten. Es hat sich bereits eine AG Flüchtlinge bildet, die die Aktivitäten bündeln will. Kunstschmied Michael Soika will sogar sein Haus mit Asylbewerbern teilen. Langerwischs Pfarrerin Juliane Rumpel will sich dafür einsetzen, dass fünf bis zehn Flüchtlingsfamilien dauerhaft bei Michendorfern unterkommen.
Gerade solche Angebote seien äußerst willkommen, sagte der Sozialdezernent des Landkreises, Thomas Schulz. Er betonte, dass es sich bei der „Notunterkunft Turnhalle“ um keine Wunschlösung handeln würde, das Landratsamt aber keine andere Lösung gesehen habe: Erst am 7. Mai sei man informiert worden, dass statt der prognostizierten 750 Flüchtlinge in diesem Jahr 1160 Flüchtlinge im Landkreis untergebracht werden müssen. Für die 400 zusätzlichen Asylbewerber sei es nicht möglich gewesen, im benötigten Tempo adäquate Unterkünfte zu finden.
Andere Standorte werden geprüft
Schulleiter Hendrik Reinkensmeier sagte, dass ihm der Landrat versprochen habe, dass es sich um eine Übergangslösung handelt und die Turnhalle zum Schuljahr 2015/2016 wieder zur Verfügung steht. „Ich setze auf sein Wort.“ Wie berichtet will der Landkreis bis dahin eine frühere Bundeswehrkaserne in Damsdorf für 600 Flüchtlinge bereitstellen, wobei es noch offene Vertragsfragen gibt. Zusätzlich würden, sagte Schulz, Container erworben, um auf einem Kreisgrundstück ein Containerdorf zu errichten. Auch andere leer stehende Kasernenstandorte, die in der Bürgerversammlung als Unterbringungsalternativen genannt wurden, will er jetzt prüfen.
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Anfangs war davon die Rede, dass die Michendorfer Sporthalle bis zum Jahresende benötigt wird. Angesichts des anhaltenden Zustroms kann der Kreis auch nicht ausschließen, dass erneut auf die Notlösung zurückgegriffen werden muss. Bürger warnten, dass das Gymnasium dadurch Schaden nehmen könnte und sich womöglich weniger Schüler anmelden könnten. Jan Dreyer vom ASV Michendorf lobte die Kooperation mit der Gemeinde, die mit den Sportvereinen sofort die Kapazitäten in anderen Hallen der Gemeinde gebündelt habe. Bedenken habe er, was die Mitgliederentwicklung gerade im Jugendsport angeht, wenn die Gymnasium-Sporthalle länger nicht bereitsteht.
Michendorfs Ortsvorsteher Hartmut Besch (FDP) appellierte an die Weltoffenheit der Einwohner. „Die Asylbewerber, egal woher sie kommen, haben mehr durchgemacht, als wir uns vorstellen können“, sagte er. Er sei selbst 1945 als Flüchtling aus Ostpreußen nach Potsdam gekommen und sei froh gewesen, untergebracht zu werden. „Jeder Kritiker des Heims sollte in sich gehen und überlegen, welche Geschichte wir Deutschen haben.“
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